Der fremde Pharao
Haut und wartet auf den endgültigen Befehl, dass man ihn uns ins Herz stößt. Ich habe gebetet, dass sich das abwenden ließe, doch irgendwie hat mein Ka gewusst, dass es anders kommen würde. Was wirst du tun?«
Er lachte schroff. »Ich stehe auf dem Spielfeld Schönes Haus«, sagte er, »und mein Gegner hat die Zahl gewürfelt, die mich in die Fluten der Unterwelt schickt. Springen geht nicht mehr.« Sie wischte sich mit dem Lakenzipfel übers Gesicht und berührte seinen Arm.
»Beim Senet hat man erst gewonnen, wenn kein Stein mehr auf dem Brett steht. Wir müssen Auswege durchsprechen. Wir wissen beide, welche das sind. Opferst du der Familie zuliebe deinen Stolz und lässt Si-Amun nichts zu erben übrig, nicht einmal den Titel Nomarch? Dadurch wären zumindest unsere Lieben sicher. Oder denkst du daran …«
»Nein!« Seqenenre schlug auf die Betttücher ein. »Genau das will er doch. Wie könnte ich da auf Erfolg hoffen? Was habe ich? Ein paar jämmerliche Streitwagen für Spazierfahrten. Ein paar jämmerliche Waffen für meine Leibwache. Ich wäre bereits geschlagen, noch ehe ich Waset verlassen hätte.«
»Du hast doch die Medjai«, hielt seine Mutter dagegen. »Die Männer aus Wawat sind die besten Kämpfer auf der ganzen Welt. Und sie mögen den Fürsten von Kusch nicht. Sie sind Wüstensöhne, die sich vor allem davor fürchten, dass Kusch ihnen eines Tages ihre Dörfer wegnimmt. Die wenigen in deinen Diensten sind treu und glücklich. Von denen solltest du mehr anwerben. Rede mit Hor-Aha. Er heißt nicht umsonst der Kämpfende Falke.«
Seine Gedanken aus ihrem Mund zu hören entsetzte ihn. Laut geäußert kamen sie ihm wie ein bereits gefasster Entschluss vor.
»Mutter, bist du so unbarmherzig?«, fragte er leise. »Würdest du uns allesamt für deinen Stolz opfern wollen?« Er merkte, dass er sie gekränkt hatte, denn ihr schossen die Tränen in die Augen.
»Nein«, befahl sie und hob die Hand, als sie sah, dass er zu einer Entschuldigung ansetzte. »Sag es nicht, Seqenenre. Deine Anschuldigung enthält ein Körnchen Wahrheit. Ich bin sehr stolz. Es ist der Stolz einer Frau, die mit einem König verheiratet war. Ohne Königreich, ja, ich weiß, aber dennoch ein Gott. Aber an diesem Stolz ist nichts Böses. Er würde niemals das Leben derer fordern, die ich liebe.«
»Es tut mir Leid, Mutter. Ich weiß. Du sprichst, als hätten wir nur eine Wahl.« Sie nickte kurz.
»Und die andere ist wie folgt. Du baust Seth einen Tempel. Du verarmst deine Leute dafür. Du weißt, was danach geschehen wird?« Er lächelte ein freudloses Lächeln.
»O ja. Noch ein Brief, der was fordert? Dass ich Nomarch in einer anderen Stadt werde oder so ähnlich? Irgendwo weiter nördlich, mehr in Apophis’ Nähe?«
»Oder vielleicht Dienst als Soldat in einer Grenzfestung. Es gibt kein Entrinnen, Seqenenre. Und ich glaube nicht, dass es das jemals gegeben hat.«
Nun herrschte zwischen ihnen Schweigen. Im Haus war es vollkommen still. Tetischeri lehnte mit geschlossenen Augen in ihren Kissen. Schließlich sagte Seqenenre: »Falls ich kämpfe und besiegt werde, bedeutete das den Tod für uns alle.«
Ohne die Augen zu öffnen, entgegnete sie kalt: »Wir kämpfen seit langem ein einziges Nachhutgefecht und werden nach und nach besiegt. Uns ist nichts mehr geblieben, wohin wir laufen könnten. Bleiben wir nun stehen und kämpfen, oder fallen wir auf die Knie und sterben den langsameren Tod?« Sie schlug die Augen auf. »Verfluchter Apophis! Wir sind so willig gewesen. So willig!« Ihre Hand suchte nach seinem Knie, und bei ihrer Berührung beugte er sich vor und nahm sie in die Arme. Wie zart und zerbrechlich seine Mutter doch war, aber sehr gerade und mit einem Geist, der immer ihren zierlichen Körper beherrscht hatte.
»Tetischeri«, sagte er und bemühte sich dabei um eine gelassene Stimme, »ich habe solche Angst.«
»Ich auch.« Sie machte sich los. »Du musst das nicht auf der Stelle entscheiden. Denk noch ein Weilchen darüber nach.«
»Ja.« Er stand auf. »Aber ich weiß, ich kann nachdenken, so viel ich will, es gibt keinen anderen Ausweg. Falls ich zu lange zögere, laufe ich davon. Werde schwach. Vielleicht können Si-Amun und Kamose …«
»Vielleicht.« Sie bewegte müde den Kopf auf den Kissen. »Frage sie nach ihrer Meinung. Die schwierigste Aufgabe wird sein, die Spreu vom Weizen zu scheiden, die Vertrauenswürdigen zu finden.« Seqenenre bekam in dem heißen, stickigen Raum kaum noch Luft. Er nickte
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