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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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demnach der Nachfolger von Ankläger Jao?« fragte Fowler.
    »Nein. Dies ist lediglich ein kurzfristiger Auftrag, den der Oberst mir zugewiesen hat.«
    »Er wäre enttäuscht gewesen. Jao las gern Arthur Conan Doyle, weil er selbst gern in Mordfällen ermittelte.«
    »Das klingt ja ganz nach einer Gewohnheit.«
    »Ein halbes Dutzend pro Jahr, schätze ich. Dies ist ein großer Bezirk.«
    »Er hat die Fälle immer aufgeklärt?«
    »Natürlich. Das war doch schließlich seine Aufgabe, oder?« fragte sie mit spöttischem Unterton. »Und jetzt haben Sie den Mörder schon verhaftet.«
    »Ich habe niemanden verhaftet.«
    Fowler musterte ihn nachdenklich. »Sie klingen, als würden Sie ihn für unschuldig halten.«
    »Richtig.«
    Fowler konnte ihre Überraschung nicht verbergen. »Langsam beginne ich Sie zu verstehen, Mr. Shan.«
    »Nur Shan.«
    »Ich begreife allmählich, warum Tan Sie von der Höhle weghaben wollte, als ich da war. Sie sind... wie hat er doch gleich die Tibeter genannt? Unberechenbar. Ich glaube nicht, daß Ihre Regierung diese Charaktereigenschaft zu würdigen weiß.«
    Shan zuckte die Achseln. »Oberst Tan zieht es vor, sich nicht mit mehr als einer Krise gleichzeitig zu beschäftigen.«
    Die Amerikanerin sah ihn an. »Wer von uns beiden stellt denn eine Krise für ihn dar, Sie oder ich?«
    »Sie natürlich.«
    »Na, ich weiß nicht recht.« Sie nippte an ihrem Tee. »Wenn Jao nicht von Ihrem Häftling ermordet wurde, von wem dann?«
    »Von Ihrem Dämon. Tamdin.«
    Fowler schaute sich um, ob jemand von ihrem Personal in Hörweite war. Die Leute hatten sich am anderen Ende des Raums versammelt. »Niemand hier macht Witze über Tamdin«, sagte sie leise und mit einem plötzlichen Anflug von Sorge in der Stimme.
    »Das war kein Witz.«
    »In jedem Dorf und jedem Schäferlager hier in der Gegend hören Sie Geschichten über den Besuch von Dämonen. Letzten Monat gab es Beschwerden über unsere Sprengungen. Es hieß, wir hätten ihn vermutlich aufgeweckt. Einen halben Tag lang hat niemand gearbeitet. Aber ich habe den Leuten erklärt, daß wir erst vor sechs Monaten mit den Sprengungen angefangen haben.«
    »Wofür sind diese Sprengungen erforderlich?«
    »Für Erdwälle. Für einen neuen Teich.«
    Shan schüttelte verwundert den Kopf. »Aber wieso Teiche? Wozu all das Wasser? Wie können Sie hier Mineralien gewinnen? Es gibt doch gar keine Mine.«
    Fowler lächelte. »Aber sicher«, sagte sie und wirkte erleichtert, das Thema wechseln zu können. »Direkt vor der Tür.« Sie nahm ein Fernglas und bedeutete ihm, ihr zu folgen. Draußen führte sie ihn einen Pfad am Rand des größten Teichs entlang und hielt zielsicher auf die Mitte des höchsten Walls zu, der quer über die Talmündung verlief. Dort wartete sie, bis Yeshe und Sergeant Feng zu ihnen aufgeschlossen hatten. »Dies hier ist eine Niederschlagsmine.«
    »Sie bauen Regen ab?« fragte Yeshe.
    »So habe ich es eigentlich nicht gemeint, aber ich schätze, man könnte es so umschreiben. Wir bauen den Regen ab, der vor hundert Jahrhunderten gefallen ist.« Sie wies mit ausholender Geste über die Teiche hinweg. »Diese Ebene ist der Boden eines Beckens. Der einzige Abfluß führt in den Drachenschlund und wurde einst an dieser Stelle durch einen Erdrutsch blockiert. Die umliegenden Berge waren Vulkane. Lava strömte die Abhänge hinunter, und Lava steckt voller leichter Elemente. Bor. Magnesium. Lithium. Im Verlauf vieler Jahrhunderte hat der Regen die Lava aufgelöst und die Salze in das Becken geschwemmt. Ein Salzsee entstand. In Zeiten der Dürre bildete sich über dem See eine Kruste. Dreißig Zentimeter dick. Manchmal sogar anderthalb Meter. Dann wurde das Becken im Verlauf mehrerer feuchter Jahre wieder mit Wasser gefüllt, in dem sich ebenfalls die aufgelösten Minerale befanden. Dann eine weitere Kruste. Alle paar Jahrhunderte sorgte ein neuer Vulkanausbruch dafür, daß Lava auf den Hängen nachfloß. So ist auch der Große Salzsee in Amerika entstanden.«
    »Aber diese Seen hier wurden künstlich angelegt.«
    »Der natürliche Salzsee ist dennoch vorhanden. Genaugenommen elf davon. In verschiedenen Schichten, direkt unter uns. Wir haben bloß ein bißchen Erde bewegt, um die Oberflächenteiche zu bauen. Dort hinein pumpen wir die Salzlake und lassen sie verdunsten.« Fowler deutete auf drei kleine Hütten an verschiedenen Stellen des Talgrunds, die als Knotenpunkte für ein Netz aus Rohrleitungen dienten. »Aus diesen drei Brunnen wird alles

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