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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Handschuhe wieder an. »Ich habe schriftlich um mehr Handschuhe gebeten. Man sagte mir, ich solle doch einfach die alten Handschuhe sterilisieren. Diese Narren. Was passiert wohl mit LatexHandschuhen, wenn man versucht, sie auszukochen?«
    »Die Untersuchung des Kopfes.«
    »Ai yi!« rief sie und verdrehte die Augen. »Jetzt will er auch noch die Autopsie eines Kopfes«, sagte sie zu der fleckigen Decke.
    Shan schaute sie einfach nur an.
    »Okay. Ein Schädel, intakt. Ein Gehirn, intakt. Hör-, Seh-, Geschmacks- und Geruchsorgane allesamt intakt. Ein großes Problem.«
    Shan beugte sich vor. »Sie haben etwas gefunden?«
    »Er hätte dringend mal zum Friseur gemußt.« Sie ging weiter den Flur entlang. Shan starrte ihr hinterher.
    »Haben Sie seine zahnärztlichen Unterlagen überprüft?« fragte er.
    »Sie glauben schon wieder, Sie wären in Peking. Jao hatte Zahnersatz im Mund, aber der wurde nicht in Tibet angefertigt Es gibt keine Unterlagen, mit denen man den Befund vergleichen könnte.«
    »Haben Sie untersucht, ob der Kopf zu dem Körper gehört?«
    »Wie viele geköpfte Leichen haben Sie denn sonst noch auf Lager, Genosse?«
    Shan sah sie wortlos an.
    Sung murmelte etwas vor sich hin, zog die Handschuhe hoch und warf ihm eine koujiao aus dem Schrank zu.
    Schweigend gingen sie ins Leichenschauhaus. Der Gestank dort drinnen war nahezu überwältigend. Shan band sich die Maske fester vor Mund und Nase und schaute über seine Schulter. Sergeant Feng hatte sich geweigert mitzukommen. Er wartete auf dem Flur und schaute durch das kleine Fenster in der Tür.
    Auf einem der Untersuchungstische befand sich ein fleckiger Karton, der auf einem zugedeckten Körper stand. Shan wandte sich ab, als Dr. Sung den Inhalt des Kartons hervorholte und sich über die Leiche beugte.
    »Erstaunlich. Er paßt.« Sie winkte Shan zu sich heran. »Vielleicht möchten Sie es selbst versuchen? Nein, ich weiß etwas Besseres. Wir schneiden Arme und Beine ab und spielen ein lustiges Legespiel.«
    »Mich interessiert die Art der Schnitte.«
    Sung warf ihm einen verärgerten Blick zu, nahm dann eine Flasche mit Alkohol und säuberte das Fleisch rund um den Hals. »Eins, zwei... ich zähle drei Schnitte. Keine brutalen Hiebe, wie ich schon gesagt habe. Präzise, als würde man eine Scheibe von einem Braten abschneiden.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Falls der Mörder sich auf reine Kraftanwendung beschränkt hätte, wäre das Gewebe zerquetscht worden. Das hier sind hingegen sehr saubere Schnitte, die von einem rasiermesserscharfen Instrument stammen. Als hätte ein Metzger sie vorgenommen.«
    Ein Metzger. Er hatte Sung zuvor bereits darauf hingewiesen, daß Tibet das einzige Land auf der Welt war, in dem es Metzger gab, deren Hauptaufgabe im Zerteilen menschlicher Körper bestand. »Haben Sie nach einem Bluterguß am Kopf gesucht?«
    Sung blickte auf.
    »Sie haben es ja schon richtig erkannt«, fügte Shan hinzu. »Zunächst wurde er hingelegt. Kein Blut auf seiner Kleidung. Man muß ihn bewußtlos geschlagen haben. Dann hat man ihm den Kopf abgeschnitten.«
    »Wir müssen hier nur selten vollständige Autopsien durchführen«, flüsterte sie und zog eine Rollampe an den Rand des Tisches. Es sollte wohl so eine Art Entschuldigung darstellen.
    Sergeant Feng ging draußen im Korridor auf und ab, während sie die Kopfhaut untersuchte.
    »Da haben wir's«, sagte sie schließlich. »Hinter dem rechten Ohr. Eine lange gezackte Quetschung. Ein Stück der Haut ist aufgeplatzt.«
    »Ein Knüppel? Ein Schlagstock?«
    »Nein, etwas mit unebener Oberfläche. Könnte ein Stein gewesen sein.«
    Shan zog die Karte hervor, die der Ankläger bei sich getragen hatte. »Wissen Sie, weshalb Jao mit jemandem gesprochen haben könnte, der Röntgenapparate verkauft?«
    Sung musterte das kleine Stück Karton. »Amerikanische Geräte?« fragte sie und gab ihm die Karte zurück. »Zu teuer für Tibet.« Sie zog einen Schreibblock aus der Tasche und machte sich eifrig Notizen.
    »Warum könnte er sich für solche Geräte interessieren?«
    Sie zuckte die Achseln. »Das muß wohl mit einer seiner Untersuchungen zu tun gehabt haben.« Sie stellte den Kragen ihrer Bluse auf, als sei ihr plötzlich kalt geworden.
    »Was ist mit den Amerikanern bei der Mine? Würden die mit solchen Apparaten etwas anfangen können?«
    Sung schüttelte den Kopf. »Die müssen wie alle anderen hierher ins Krankenhaus kommen. Die Zuteilung der medizinischen Ressourcen ist sorgfältig

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