Der freundliche Mr Crippen | Roman
zu bereuen. Das wirst du nie wieder tun, das versichere ich dir.«
Er griff nach unten, um den Jungen beim Hosenboden zu packen, bereit, ihn hochzuheben und über Bord zu werfen, doch da legte sich eine Hand auf seine Schulter, holte ihn aus seiner Wut und brachte ihn zur Vernunft.
»Lassen Sie ihn, Mr Robinson, bitte«, sagte Matthieu Zéla besorgt. »Lassen Sie ihn los. Ich werde mich um ihn kümmern.«
Mr Robinson fuhr herum, sah Martha Hayes mit schreckverzerrtem Blick in der Nähe stehen und gab nach. Er wandte sich Tom wieder zu und stieß ihn in Richtung seines Onkels. »Er hätte ihn umgebracht«, sagte er und sah Monsieur Zéla an. »Er hatte ein Messer an Edmunds Kehle.«
Tom zitterte am ganzen Leib, völlig durcheinander und erfüllt mit neuer Angst vor dem Wasser. »Ich werde das regeln, keine Sorge«, sagte Matthieu und sah seinen Neffen voller Verachtung an. »Er wird Sie beide nicht mehr belästigen.«
»Der ist nicht normal«, sagte Tom und zeigte auf Edmund, der sich mühte, die Tränen zurückzuhalten. »Da ist was …«
»Sei still, Junge«, sagte Matthieu. »Es tut mir leid, Edmund«, fügte er hinzu und sah zu ihm hinüber. »Ich möchte mich für ihn entschuldigen.«
»Ist schon gut. Ich will nur zurück in die Kabine«, flüsterte Edmund, dessen Kehle sich noch ganz wund anfühlte. Er lief die Stufen hinunter, gefolgt von Martha. Sein Vater blieb mit Monsieur Zéla und Tom DuMarqué zurück.
»Wenn du ihn noch einmal anrührst«, sagte Mr Robinson, »schneide ich dir beide Hände ab, darauf kannst du dich verlassen. Hast du mich verstanden?« Seine Stimme war so klar und so eindringlich, dass Tom nichts blieb, als schnell zu nicken. Matthieus Augen verengten sich verblüfft, er hätte Mr Robinson nicht eine solche Stärke zugetraut. »Nur, damit wir uns verstanden haben«, fügte Edmunds Vater noch hinzu, drehte sich um und ging davon.
»Du Idiot«, murmelte Matthieu und hob seinen Neffen von den Planken. »Du bist nicht besser als dein Vater. Was hast du dir nur dabei gedacht?«
»Da ist was … dieser Edmund … er hat keine …« Er schien seinen Satz nicht beenden zu können, offenbar war er zu verwirrt.
Matthieu nahm ihn beim Ellbogen und brachte ihn voller Abscheu zurück in die Präsidentensuite.
Und genau, wie Victoria Edmund beobachtet hatte, und Tom Victoria, hatte auch Kapitän Kendall alles von der Brücke aus gesehen und gehört, ohne einzuschreiten, und war mehr als erfreut über Tom DuMarqués Entdeckung, die nur bestätigte, was er längst wusste. Nicht mehr lange, dachte er und wandte sich lächelnd um.
Edmund lief in seine Kabine, ohne auf Martha Hayes zu achten, die nur ein paar Schritte hinter ihm war, und verschloss die Tür. Er ließ sich aufs Bett fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Ihm war leicht schwindelig vom Alkohol. Wie ein Kind bei einem Wutanfall trat er sich die Schuhe von den Füßen, riss sich die Perücke vom Kopf, warf sie quer durch den Raum und schüttelte sich die Haare aus.
»Edmund!«, rief Martha Hayes und klopfte an die Tür. »Bitte, lass mich rein.«
»Ich will eine Weile lang allein sein«, rief er.
»Ist alles in Ordnung mit dir? Bist du nicht verletzt? Hat er dir wehgetan?«
»Nein.«
»Bist du sicher? Ich kann einen Arzt holen. Du schienst oben an Deck große Schmerzen zu haben.«
»Es geht mir gut. Es wird schon wieder«, sagte er. »Bitte, lassen Sie mich … lassen Sie mich etwas allein.«
Martha schwieg einen Moment lang und überlegte. »Nun, du weißt, wo du mich findest, wenn du mich brauchst. Ich möchte, dass du mich rufst, wenn etwas ist.« Sie hatte Mitleid mit ihm. Es musste demütigend für ihn sein, von einem Vierzehnjährigen so überwältigt zu werden, und es überraschte sie auch. Denn obwohl Edmund eher klein und schlank war, hätte sie doch vermutet, dass er in solch einer Situation eine Art sehnige Stärke gezeigt hätte. Offensichtlich besaß er die aber nicht.
Endlich allein, brach Ethel in Tränen aus. Sie hatte das Gefühl, nie wieder damit aufhören zu können. Der Abend war so schnell vorbeigegangen, so viel war geschehen, dass sie kaum alles begreifen konnte. Der Kampf mit Tom war eine Sache, dass sie Victoria geküsst hatte, eine ganz andere. Sie war nicht sicher, ob das Mädchen sie bewusst betrunken gemacht hatte oder nicht, doch ganz gleich, wie es sich verhielt, Ethel hatte sie geküsst, und es hatte ihr gefallen. Das erschreckte sie. Sie konnte sich nicht vorstellen,
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