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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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hatte, was ihm schon vor Tagen aufgefallen war. Falls es so war, würde es ihn überraschen. »Und das wäre?«
    »Er hat keine Eier!«, rief Tom und stand auf. »Ich schwöre es. Es mag ja komisch klingen, aber zwischen seinen Beinen ist nichts!«
    »Hör mir zu, Tom«, sagte Matthieu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Leute, die herumlaufen und ihre Nase unerwünscht zwischen anderer Leute Beine stecken, können böse Überraschungen erleben. Weshalb es unhöflich ist, das zu tun.«
    »Ich mache keine Witze, Onkel Matthieu.«
    »Ich weiß. Aber du kannst nicht sicher sein.«
    »
Doch,
das bin ich.«
    Matthieu sah ihn an. »Nun, zufällig bin ich es auch«, sagte er schließlich mit ruhiger Stimme. »Ich bin schon vor Tagen dahintergekommen.«
    »Du?«
    »Ja. Ich sah nur keinen Grund, darüber zu reden.«
    »Was ist also mit ihm? Sind sie ihm abgeschnitten worden?«
    Matthieu lachte. »Nein, du dummer Kerl«, sagte er. »Sie sind ihm nicht abgeschnitten worden. Er hat nie welche gehabt.«
    Tom legte die Stirn in Falten. Er begriff nicht. »Wie kann er keine …«
    »Er ist kein Er«, sagte Matthieu. »Er ist eine Sie. Edmund Robinson ist kein Junge. Dein Konkurrent auf der Jagd nach Victoria Drake ist ein Mädchen.«
    Toms Augen wurden immer größer, sein Mund öffnete sich, und er registrierte verblüfft, wie er von Verlangen erfüllt wurde. Er musste an den Kuss zwischen Victoria und Edmund denken.
    »Das kannst du nicht ernst meinen«, sagte er endlich.
    »Doch, doch.«
    »Aber warum? Warum sollte sich jemand …?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Matthieu. »Mit den beiden hat es etwas Merkwürdiges auf sich, ich bin nur noch nicht dahintergekommen, was. Aber das werde ich noch, ich versichere es dir. Bis dahin musst du mir versprechen, dass du niemandem gegenüber auch nur ein Wort darüber sagst.«
    »Oh, das verspreche ich dir«, sagte der Junge und rieb sich genüsslich die Hände. »Nicht ein Wort kommt über meine Lippen.«

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    16  Der Mörder
    London: 31 . Januar 1910
    Am Abend des 31 . Januar 1910 zog sich Cora Crippen ein letztes Mal an und betrachtete sich niedergeschlagen im Spiegel. Das Kleid, das sie trug, war über zwei Jahre alt. Hawley hatte es ihr zu ihrem fünfunddreißigsten Geburtstag geschenkt, und es hatte ihr gut gefallen, mittlerweile jedoch kam es ihr veraltet und viel zu vertraut vor. »Warum muss ich immer dieselben Dinge tragen?«, fragte sie ihr Spiegelbild. »Warum kann mir Hawley nicht geben, was andere Männer ihren Frauen geben?« Es war für sie eine fortdauernde Quelle des Unmuts, obwohl sie doch beträchtliche persönliche Ersparnisse angehäuft hatte, aber damit verwöhnte sie lieber ihre männlichen Freunde. Sie fand, es war Hawleys Aufgabe, sie mit den Dingen zu versorgen, die sie brauchte. Cora war überzeugt, dass Louise Smythson genau wusste, wie häufig sie, Cora, dieses Kleid schon getragen hatte, und sie deswegen verachtete. Wie oft schon hatte sie die wenig schmeichelhaften Bemerkungen gehört, die Louise über andere Frauen machte, wenn sie wieder einmal dasselbe Kleid trugen, und sie selbst hatte sich kräftig daran beteiligt. Wenn Cora in ihrem Herzen auch spürte, dass sie Louise in jeder Hinsicht überlegen war – schließlich hatte
sie
nie hinter dem Tresen eines Pubs gearbeitet! –, konnte sie doch nicht abstreiten, dass Louise mit einem Mitglied der Aristokratie verheiratet war, während ihr eigener Mann lediglich ein Teilzeit-Zahnarzt und Verkäufer war.
    Ihre Freundschaft zu Louise hatte in letzter Zeit gelitten, und sie war sich bewusst, dass sie mehr und mehr aus dem Kreis der anderen Frauen hinausgedrängt wurde. Etliche von ihnen hielten sie mittlerweile für grob und affektiert, sahen mit Verachtung auf sie herab und machten klar, dass sie von Coras Unfähigkeit, sich weiterzuentwickeln, enttäuscht waren. Natürlich hatte sie das zum großem Teil ihrem eigenen Verhalten zuzuschreiben. Vor zwei Wochen erst hatte sie bei einem Abend mit dem berühmten Pianisten Leopold Godowsky in der Music Hall Ladies’ Guild zu viel getrunken, war während seines Spiels eingeschlafen und hatte so laut geschnarcht, dass sie eines der älteren Mitglieder der Gilde mit juwelengeschmücktem Finger in den Rücken gestoßen und mit einem lauten »Pssst!« zur Ruhe gerufen hatte. Schon eine Woche danach hatte sie bei einem der regelmäßigen Cocktailabende wieder zu viel getrunken und mit einem jungen Kellner geflirtet, der am Ende nicht umhin

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