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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Louise, als sie ankamen, küsste sie auf die Wange und trat ein. Sie warf einen schnellen Blick auf Coras Kleid und hob eine Braue, sagte aber nichts. Ihre Gastgeberin hatte ihren Blick jedoch bemerkt und verfluchte ihren Mann, dass er sie nicht ausreichend ausstaffierte.
    »Louise«, sagte sie. »Nicholas. Ich freue mich so, dass ihr kommen konntet. Hawley und ich haben eben noch gesagt, dass wir uns viel zu selten sehen.«
    »Wirklich?«, fragte Louise und sah Hawley an, der es vorzog, die Behauptung weder zu bestätigen noch ihr zu widersprechen. »Ja, wir haben alle zu viel zu tun, nicht wahr?«
    Cora nahm ihre Mäntel, und sie gingen ins Wohnzimmer, wo ein paar Naschereien und Getränke vorbereitet waren. Sie setzten sich und spielten eine Partie Bridge, doch die Karten bildeten nur den Hintergrund für ein Gespräch, das von Beginn an unbeholfen verlief.
    »Wo ist denn der gut aussehende Junge, der bei euch gewohnt hat?«, fragte Louise. »Wie hieß er noch? Euer Untermieter?«
    »Alec Heath«, sagte Hawley leise, ohne von seinen Karten aufzusehen.
    »Ja, genau der. Was ist mit ihm? Ist er ausgezogen?«
    »Er ist nach Mexiko gegangen«, erklärte Cora. »Andrew Nash hat ihm dort einen Job gegeben.«
    »Das hat er nicht!«, rief Louise überrascht. »Ich wusste gar nicht, dass die beiden sich kannten.«
    »Nun, sie kannten sich auch nicht«, sagte Cora. »Sie haben sich hier bei uns kennengelernt und über Andrews Arbeit drüben gesprochen. Ein paar Tage später ist Alec zu ihm gegangen und hat sich um eine Stelle in Andrews Firma beworben. Irgendwie müssen sie sich gleich verstanden haben, denn bevor ich noch wusste, wie mir geschah, packte er schon seine Sachen und war verschwunden. Seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört oder gesehen, habe ich recht, Hawley?«
    »Ja«, sagte er. Selbstverständlich war er froh gewesen, dass Alec das Haus verließ. Hawley hatte nicht die Kraft besessen, ihm die Affäre mit seiner Frau vorzuhalten, genauso wenig, wie er Cora darauf anzusprechen vermochte. Nicht, dass es ihm egal gewesen wäre: Auch wenn es schon lange keinerlei Intimitäten mehr zwischen ihm und Cora gab, ertrug er den Gedanken doch nicht, dass sie mit einem anderen Mann schlief. Dass es ein so junger Kerl gewesen war, der ihm Hörner aufgesetzt hatte, erhöhte das Gefühl der Demütigung noch. Cora ihrerseits empfand keine Scham wegen des Vorfalls. Sie hatte weder versucht, es zu erklären, noch sich dafür entschuldigt. Im Gegenteil, für sie gehörten die Nachmittage mit Alec Heath zu den angenehmeren ihres Lebens.
    »Es war so nützlich, ihn im Haus zu haben«, sagte sie und wollte das Thema noch nicht wieder fallen lassen, genoss sie es doch, dass es Hawley wahrscheinlich böse verdross. »Er war immer bereit zu helfen, wenn ich etwas brauchte.«
    »Ach ja«, sagte Louise.
    »Da er so viel jünger war, konnte er sich um Dinge kümmern, die Hawley nicht mehr schafft. Ist es nicht so, Liebling?« Hawley warf ihr einen hasserfüllten Blick zu, doch sie genoss ihre
double entendres
und wollte noch nicht damit aufhören. »Er hat sich um Dinge im Haus gekümmert, die seit Jahren vernachlässigt worden waren. Er hat gleichsam eine Menge alte Spinnweben entfernt. Ich muss zugeben, dass ich ihn vermisse.«
    »Meine Frau findet meine Gesellschaft unendlich weniger stimulierend als die ihrer jüngeren Freunde«, sagte Hawley ruhig.
    Nicholas Smythson rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Da ging es schon wieder los. Er hatte es bereits mehrfach erlebt. Sobald die Sprache auf Hawley kam, nahm dessen Frau jede Möglichkeit wahr, ihn anzugreifen.
    »Vergib mir, dass ich Schwierigkeiten habe, mich für die gezogenen Backenzähne von jemandem zu begeistern«, sagte sie, ohne Hawley anzusehen. Stattdessen lächelte sie den Smythsons zu. »Das ist es, was ich mir anhören muss, wenn er abends nach Hause kommt. Genaueste Beschreibungen der Zahnruinen halb Londons. Er ist so ein Romantiker. Ist es da ein Wunder, dass wir nie Kinder bekommen haben?«
    »Hatte vor ein paar Jahren Ärger mit den eigenen Zähnen«, sagte Nicholas, um die Unterhaltung von den gegenseitigen Beleidigungen ihrer Gastgeber wegzusteuern. »Die Lösung war, sie alle zu ziehen und durch falsche zu ersetzen. Hab seitdem nichts mehr damit zu tun gehabt, was, Louise? Es war natürlich schmerzvoll, aber seitdem zwickt nichts mehr.«
    »Nicholas«, sagte Louise leise und legte ihre Hand auf seine. »Ich glaube wirklich nicht, dass die Crippens das

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