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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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»Sagen Sie Edmund einfach, er soll Victoria in Ruhe lassen, oder es nimmt ein böses Ende, das verspreche ich Ihnen.« Damit stürmte sie den Gang hinunter, verschwand in ihrer Kabine und knallte wütend die Tür hinter sich zu.
    Er sah ihr noch einen Moment lang hinterher, schüttelte den Kopf und ging zurück nach drinnen. Als er die Tür gerade wieder schließen wollte, kam Ethel und sah ihn fragend an.
    »Ich wollte dich holen«, sagte sie. »Ich dachte, wir wollten gemeinsam essen? Was ist? Ist was passiert?«
    »Ich hatte gerade Besuch von Mrs Drake«, antwortete Mr Robinson und zog sie nach drinnen, »wegen gestern Abend.«
    »O nein. Will sie Tom DuMarqués Blut sehen? Ich würde heute nicht gern in seinen Schuhen stecken.«
    »Im Gegenteil, Liebes«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Hinter dir ist sie her. Sie scheint es für eine gute Idee zu halten, dich über Bord zu werfen, den Haien zum Fraß.«
    Ethel kniff die Augen zusammen. »Mich?«, fragte sie und zog sich die Perücke vom Kopf. »Warum mich? Was habe ich getan?«
    »Offenbar hast du Victoria geküsst.«
    Ethel blieb der Mund offen stehen. Diesen Teil des letzten Abends hatte sie den ganzen Morgen über aus ihren Gedanken verdrängt. Die Erinnerung daran, die Länge des Kusses, den Umstand, dass sie ihn durchaus genossen hatte. »Hawley …«, sagte sie und schüttelte den Kopf.
    »Es ist unerhört, ich weiß«, sagte er. »Ich meine, schon die Idee ist absurd.«
    »Du
weißt,
dass sie hinter mir her ist, seit wir Antwerpen verlassen haben«, protestierte Ethel.
    »Ja, das weiß ich.«
    »Gestern Abend hat sie versucht, mich in die Enge zu treiben. Sie hat mir Champagner gegeben und wollte mich küssen, aber ich habe sie natürlich zurückgewiesen. Deshalb ist sie so aufgebracht davongelaufen.«
    »Ethel, es ist nicht so, dass ich ihr glauben würde«, sagte Hawley. »Du musst dich nicht verteidigen.«
    »Hauptsache, du weißt, wie es war«, antwortete sie ihm mit einer klaren Lüge. In den wenigen Augenblicken, die sie zur Verfügung gehabt hatte, um darüber nachzudenken, ob sie ehrlich sein sollte oder nicht, hatte sie begriffen, dass mit der Wahrheit nichts zu gewinnen wäre. Es war das Beste für alle, bei einer einfachen Lüge zu bleiben.
    »Auf jeden Fall will Mrs Drake, dass du dich für den Rest der Reise von Victoria fernhältst«, fuhr er fort, »und ich denke auch, das wäre das Vernünftigste. So weit wie nur möglich.«
    »Sicherlich, aber hast du ihr von Tom erzählt? Hast du ihr erzählt, wie er mich angegriffen hat?«
    Er schüttelte den Kopf. »Es hat keinen Sinn, ihr das alles zu erklären«, sagte er. »Sie glaubt sowieso nur, was sie glauben will. Es gibt kaum einen Grund, sie in die Einzelheiten einzuweihen. Ich meine, als wir an Bord gekommen sind, haben wir beschlossen, uns möglichst bedeckt zu halten, aber stattdessen sind wir in alles Mögliche verwickelt worden. Wir haben die Leute viel zu nahe an uns herangelassen, und ich muss sagen, ich habe genug davon. Können wir die letzten paar Tage nicht einfach für uns bleiben?«
    »Ja«, antwortete Ethel, nahm seine Hand und setzte sich mit ihm auf den Rand des Betts. »Natürlich können wir das. Wir bleiben in der Kabine, wenn du magst. Wir können hier essen, schlafen und uns lieben. Nichts anderes ist wichtig, verstehst du. Nur, dass wir zusammen sind, du und ich.«
    Hawley nickte, schien aber dennoch betrübt. »Ich möchte dich verstehen«, sagte er leise, »und ich möchte dir ein guter Mann sein. Wirklich. Aber es darf diese Unannehmlichkeiten nicht mehr geben.«
    »Ich weiß doch, dass du das möchtest, und natürlich hast du recht.«
    »Ich möchte, dass es keine Geheimnisse zwischen uns gibt. Manchmal denke ich, wenn ich versucht hätte, Cora von Beginn an besser zu verstehen, hätten wir vielleicht zusammen glücklich werden können.«
    Ethel zog die Brauen zusammen. Sie dachte nicht gern an die ehemalige Mrs Crippen. »Sie war eine schreckliche Frau«, sagte sie, »das weißt du. Du musst dir keine Vorwürfe machen, was sie betrifft.«
    »Vielleicht habe ich sie zu dem Menschen gemacht, der sie am Ende war«, sagte er. »Vielleicht habe ich sie vertrieben, vielleicht war alles mein Fehler. Mit dir darf das nicht geschehen. Ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren.«
    »Hawley, das wirst du nicht«, sagte sie und fasste sein Gesicht mit beiden Händen. »Du kannst mich nicht vertreiben. Ich bin völlig anders als Cora.«
    »Oh, das weiß ich. Aber

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