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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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anfangs hat auch sie geschworen, sie würde mich lieben.«
    »Ich meine es ehrlich, und ich werde mich nicht ändern.«
    »Am Ende hasste sie mich. Deshalb hat sie mich verlassen, und obwohl ich sie kaum mehr ertragen konnte, schmerzt es zu denken, dass sie es wegen eines anderen Mannes getan hat. Klingt das lächerlich?«
    Ethel schluckte und wandte den Blick ab. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. »Das ist nur zu verständlich«, sagte sie. »Du musst aufhören, an sie zu denken. Was sie getan hat, war unverzeihlich.«
    »Wir haben keine Geheimnisse voreinander, oder?«, fragte er.
    »Nein, Hawley.«
    »Du weißt, du kannst mir alles sagen«, setzte er noch einmal nach. »
Alles,
und ich würde dir vergeben, ganz gleich, wie schrecklich es ist.«
    Ethel schluckte wieder, den Blick erneut abgewandt. »Ich habe keine Geheimnisse vor dir«, sagte sie mit tonloser Stimme.
    Hawley nickte und wirkte ein wenig enttäuscht. »Wahrscheinlich macht Cora jetzt dem anderen armen Teufel die Hölle heiß«, sagte er endlich mit einem Lachen, wischte sich aber eine Träne aus dem Augenwinkel. »Geschieht ihm recht. Trotzdem«, er stand auf, »ich wünsche ihr Glück, von ganzem Herzen. Ich habe es bei dir gefunden, warum sollte sie es nicht auch finden?«
    Ethel schüttelte den Kopf und staunte über die Fähigkeit ihres Geliebten, selbst jemandem wie Cora zu vergeben. Er war wirklich der gütigste Mensch dieser Welt. War es da ein Wunder, dass sie ihn so liebte? Er werde ihr alles vergeben, hatte er gesagt. Ethel zählte darauf.
    »Wohin willst du?«, fragte sie, als er zur Tür ging.
    »Ich habe noch etwas zu erledigen«, sagte er und sah in den Spiegel, um sich zu versichern, dass seine Augen nicht gerötet waren. Sie sahen normal aus, nur seine Wangen hatten zu viel Sonne abbekommen.
    »Ich dachte, wir wollten hierbleiben?«, sagte sie.
    »Das werden wir auch, das werden wir. Aber ich habe noch eine letzte Sache zu erledigen. Ich bin in etwa einer Stunde wieder zurück. Bis dann.«
    Ethel nickte und sah zu, wie er hinausging. Liebe und Furcht erfüllten ihr Herz, und sie wusste, sie hatte noch eine Aufgabe vor sich, die sich nicht länger hinausschieben ließ. Seit sie an Bord der
Montrose
gegangen waren, hatte sie es vor sich hergeschoben, doch das ging nun nicht mehr. Sie waren fast in Kanada, und so, wie es klang, würden sie den Rest dieser Reise in ihrer Kabine verbringen, also musste sie es jetzt tun. Sie stand auf, ging zum Schrank, zog einen Stuhl heran, stellte sich darauf und griff nach der Hutschachtel, die sie vor einer Woche dort oben hingestellt hatte. Sie hielt sie vorsichtig, aber ohne ein Gefühl von Grauen. Es war einfach nur der letzte Akt, der vollendet werden musste, bevor sie endgültig Glück und Sicherheit fanden.
    Ethel versicherte sich, dass die Schachtel fest versiegelt war, setzte Edmund Robinsons Perücke auf, öffnete die Tür, sah nach, ob jemand im Gang war, und trat hinaus, die Schachtel eng an den Körper gedrückt.
     
    »Mr Robinson«, sagte Monsieur Zéla und öffnete seinem Besucher die Tür, »ich habe Sie bereits erwartet.«
    Er trat ein, ohne darauf zu warten, hereingebeten zu werden, und war gleich überwältigt von der Pracht der Präsidentensuite. Seine und Edmunds Erste-Klasse-Kabine war äußerst angenehm, Monsieur Zélas Suite war jedoch etwas ganz anderes. Sein Blick glitt über das große Sofa, die Sessel und die völlig unbeengte Weite des Raumes. Er konnte die Dusche im Bad rauschen hören, das hinten in der Ecke des Wohnzimmers lag. Gegenüber führten zwei Türen wahrscheinlich in die Schlafzimmer.
    »Monsieur Zéla«, sagte er höflich und versuchte, allen Neid aus seiner Stimme zu halten, »ich hoffe, ich störe sie nicht.«
    »Matthieu bitte, und nein, Sie stören ganz und gar nicht. Früher oder später scheint das ganze Schiff hier anzuklopfen. Ich glaube, die Leute wollen sehen, was sie verpassen. Bitte setzen Sie sich doch.«
    »Ist Ihr Neffe hier?«, fragte Mr Robinson, und Matthieu nickte in Richtung des Bades.
    »Er duscht gerade«, sagte er. »Was selten genug vorkommt, also wollen wir es ihm nicht verderben. Er hat heute Morgen lange geschlafen, und ich dachte, es ist das Beste, ihn nicht zu wecken. Schließlich kann er im Schlaf keinen Ärger machen, oder?«
    Mr Robinson erlaubte sich ein kleines Lächeln und rieb sich dann erschöpft das Gesicht. »Um ehrlich zu sein, bin ich hier, um mit Ihnen über ihn zu sprechen.«
    »Das habe ich mir schon

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