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Der freundliche Mr Crippen | Roman

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Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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musste.
    »Was für ein Tag da vor uns liegt, Inspector«, sagte Caroux. »Darf ich Sie Walter nennen?«
    »Wenn Sie mögen.«
    »Ich habe für zehn Uhr ein Boot bestellt, das uns hinausbringt. Die
Montrose
hat bereits telegrafiert, dass sie die Maschinen rechtzeitig stoppen wird.«
    »Das
uns
hinausbringt?«, fragte Dew. »Wer ist
uns?
«
    »Na, Sie und mich, Walter, als oberste Repräsentanten von Scotland Yard und der kanadischen Polizei in Quebec. Ich habe natürlich angenommen, Sie wollten …«
    »Nein«, sagte er mit fester Stimme und schüttelte den Kopf. »Das wird nicht nötig sein. Ich fahre allein. Geben Sie mir nur einen Mann, der das Boot steuert, das ist genug.«
    »Aber Walter!«, rief Caroux voller Enttäuschung. »Der Mann ist ein wahnsinniger Killer. Sie wissen doch gar nicht, in was Sie sich da hineinbegeben.«
    »Er ist kein wahnsinniger Killer«, sagte Dew streng, »und er ist auch kein Kannibale, bevor Sie auch das noch andeuten.«
    »
Mon Dieu!
Ich wusste nicht, dass er sie gegessen hat …«
    »Hat er auch nicht.«
    »Warum sagen Sie es dann?«
    »Er ist ein absolut vernünftiger Mann, der womöglich einen Fehler in seinem Leben gemacht hat, das ist alles. Ich versichere Ihnen, dass ich absolut nicht in Gefahr kommen werde. Schließlich wird auch Kapitän Kendall da sein und so viele seiner Offiziere, wie ich brauche. Auch wenn ich Dr. Crippen nur flüchtig kenne, glaube ich nicht, dass er Schwierigkeiten machen wird.«
    »Ich hoffe, Sie haben recht«, sagte Caroux und klang dabei wie ein kleiner Junge, dem sein Eis verwehrt wurde. »Aber wenn er Sie ebenfalls zerteilt und verspeist, haben Sie es allein sich selbst zuzuschreiben.«
    »Ich werde daran denken.«
    Zahlreiche Menschen standen am Kai, als er in ein kleines zweimotoriges Boot stieg und aus dem Hafen hinausfuhr. Der alte Seebär, der das Boot steuerte, schien der einzige Mensch in ganz Quebec zu sein, der ohne jedes Interesse an den Geschehnissen war. Er wirkte allenfalls genervt durch die große Zahl schreiender und applaudierender Neugieriger, die ihnen hinterhersahen, und hatte kaum ein Wort für Inspector Dew übrig, der mehr als zufrieden mit dem Schweigen war, sich auf die Seite des Bootes setzte, die Arme ausstreckte und das Gefühl des Windes und den Geruch des Meeres genoss. Seine Angst vor dem Wasser schien er auf der Überfahrt hinter sich gelassen zu haben. Etwas mehr als eine Stunde später erschien die
Montrose
am Horizont, Dew drückte den Rücken durch, und in seinem Magen machte sich Nervosität bemerkbar. Das letzte Kapitel seiner Jagd auf Dr. Hawley Harvey Crippen begann.
    »Dort drüben«, sagte der Seemann und deutete auf das Schiff, bevor er erneut in Schweigen verfiel. Endlich wurden sie langsamer und gingen längsseits der
Montrose.
Einer der Offiziere war abgestellt worden, um nach ihnen Ausschau zu halten, und dirigierte sie zu der Leiter, die, für die Passagiere unsichtbar, am Schiffsrumpf herunterhing. Dew dankte seinem schweigsamen Seemann, setzte einen Fuß auf die unterste Sprosse und kletterte an Bord des großen Schiffes.
    »Inspector Dew?«, fragte der Offizier, als könnte er jemand anders sein.
    »Ja, hallo. Ich würde gern Kapitän Kendall sprechen.«
    »Sicher, Sir. Hier entlang, bitte.«
    Der Erste Offizier Billy Carter hatte die Offiziere am vorhergehenden Abend über ihre geheimnisvollen Passagiere informiert und zu striktem Stillschweigen verpflichtet, bis die Verhaftung vollzogen war. Sich der Strafen bewusst, die Kapitän Kendall zu verhängen imstande war, wenn er sich in der entsprechenden Stimmung befand, hatten sie nichts nach außen dringen lassen.
    Dew wurde sogleich in die Kapitänskabine gebracht, wo Kendall und Billy Carter schon seit einer Weile saßen und Tee tranken. Die beiden waren bester Laune, und Kendall konnte seine Freude kaum für sich behalten.
    »Es tut mir leid, Sie zu verlieren, Carter«, sagte er, ohne es wirklich zu meinen, doch er wollte sich großmütig zeigen. »Sie waren mir auf dieser Reise ein guter Erster Offizier. Haben unser kleines Geheimnis bestens gehütet. Ich werde es, wie schon gesagt, Ihren Vorgesetzten gegenüber erwähnen.«
    »Vielen Dank, Sir«, sagte Carter. »Ich nehme an, Sie werden froh sein, Mr Sorenson zurückzubekommen. Freut mich übrigens sehr, von seiner Gesundung zu hören.«
    »Ja, das sind ausgezeichnete Neuigkeiten«, sagte der Kapitän strahlend, die Wangen gerötet. Früh am Morgen war eine Nachricht von Mr Sorenson

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