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Der freundliche Mr Crippen | Roman

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Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Bodens fand er die zerstückelten Überbleibsel einer Toten, von der angenommen wird, dass es sich um Mrs Crippen handelt. Wie die Times in Erfahrung brachte, fehlt von ihrem Körper lediglich der Kopf.
    »Weder Dr. Crippen noch Miss LeNeve sind nach Camden zurückgekehrt, und wir gehen davon aus, dass sie sich auf der Flucht befinden«, erklärte Inspector Dew unserem Reporter heute. »Im Augenblick haben wir keine bestätigten Hinweise zu ihrem Aufenthaltsort, und wir bitten die gesamte Bevölkerung, nach ihnen Ausschau zu halten. Dr. Crippen ist ein Mann mittleren Alters und von durchschnittlicher Größe, er trägt einen Schnauzbart und macht einen verlorenen Eindruck. Miss LeNeve ist Mitte zwanzig, ein Meter fünfundsechzig groß und hat eine Narbe auf der Lippe.«
    Sie las den Artikel noch bis zum Schluss, er enthielt jedoch nur noch eine sensationslüsterne Beschreibung von Cora Crippens Tod. Der einzige Lichtblick war, dass niemand wusste, wo sie und Hawley sich gerade aufhielten, und es war unwahrscheinlich, dass man in Antwerpen nach ihnen suchte. Vorerst, dachte sie, sind wir sicher. Wir müssen es nur nach Kanada schaffen.
    Sie überredete Hawley, sich seinen Schnauzbart abzunehmen und stattdessen einen Backenbart wachsen zu lassen.
    »Das ist die neueste Mode«, erklärte sie ihm. »Du hast doch sicher bemerkt, dass die europäischen Gentlemen ihn so tragen.«
    »Nein«, gab er zu. »Das habe ich nicht.«
    »Du solltest die Augen offen halten. Sie tun es.«
    Er gab nach und griff zu seinem Rasiermesser.
    Sich an Bord der
Montrose
als Vater und Sohn auszugeben, war jedoch Hawleys Idee und hatte ein weiteres Mal mit seinen puritanischen Überzeugungen zu tun. Erst protestierte sie, weil sie dachte, dass da eine leichte Verirrung seinerseits mitschwinge, gab aber schnell nach, als ihr bewusst wurde, es könnte eine hilfreiche List sein. Schließlich war es doch möglich, dass sich an Bord der eine oder andere rege Zeitungsleser befand. Hawley kleidete sie neu ein, kaufte ihr eine Perücke, und am Morgen des 20 . Juli verließen sie ihr Hotel zum letzten Mal und gingen das kurze Stück zum Hafen.
    »Sieh nur, da liegt sie«, sagte er, sah zur
Montrose
hinüber und fühlte in seiner Tasche nach den zwei Erste-Klasse-Tickets, die er gekauft hatte. »Noch kannst du deine Meinung ändern.«
    »Ich will sie nicht ändern«, sagte Ethel. »Das ist der Beginn unserer Zukunft. Wir werden glücklich sein, oder?«
    »Natürlich werden wir das«, antwortete er mit einem breiten Lächeln. »Was sollte dem entgegenstehen? Wir haben noch ein ganzes Leben vor uns, auf das wir uns freuen können. Ein neues Leben. Das Leben zweier Menschen, die sich lieben. Was mehr könnte einer von uns sich wünschen?«
    Ethel sah ihn an und fühlte sich sicher und glücklich. Ihr altes Leben lag hinter ihnen. Sie waren entkommen. Ihre Koffer waren bereits in ihrer Kabine. Einer davon enthielt die Hutschachtel, die sie während der Überfahrt beseitigen wollte. »Ich liebe dich«, flüsterte sie und hätte sich gerne zu ihm hingereckt und ihn geküsst, wusste aber, dass ihnen das in ihrer gegenwärtigen Verkleidung unmöglich war.
    Hawley öffnete den Mund, um ihr zu antworten, was jedoch von einer Autohupe verhindert wurde, die direkt hinter ihm ertönte, der Hupe von Bernard Leejik, dem flämischen Taxifahrer, der Mrs Antoinette Drake und ihre Tochter Victoria zum Schiff brachte. »Diese neuen Automobile werden uns noch den Tod bringen«, sagte er, fand das Gleichgewicht wieder, das er kurz verloren hatte, und wandte sich seinem jugendlichen Begleiter zu. »Ich denke, jemand sollte etwas gegen sie unternehmen, bevor wir alle überfahren und getötet werden. Meinst du nicht auch?«
    »Ich bin nie in einem gefahren …
Vater«
, antwortete Edmund.

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    19  Die Gefangennahme
    Nahe Quebec: Sonntag, 31 . Juli 1910
    Inspector Walter Dew wachte in der kleinen Pension auf, in der Inspecteur Caroux ihn untergebracht hatte. Es war noch früh, obwohl er abends nicht gleich in sein Zimmer gekonnt hatte, da die Pensionswirtin erst noch sein Bett frisch beziehen musste. Das war ein Trick, vermutete er, schließlich hatte sie den ganzen Tag schon gewusst, dass er kommen würde. Aber so musste er während der endlos langen Zeit, die sie brauchte, in den Salon zu den übrigen Gästen, die ihn allesamt mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Angst anstarrten und mit Fragen zu Dr. Crippen bombardierten. Im Gegensatz zu den Passagieren

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