Der freundliche Mr Crippen | Roman
Stirn. »Was würden die Leute denken, wenn sie wüssten, dass Sie Ihre Frau jeden Tag zur Arbeit schicken? Für einen schrecklichen Ehemann würde man Sie halten. Vielleicht sogar Charlotte selbst. Das ist keine Art, eine Ehe zu beginnen. Glauben Sie,
meine
Ehe wäre so ein Erfolg, wenn ich Mrs Lake jeden Morgen mit zwei Sandwiches und einem Apfel vor irgendeinem gottverlassenen Büro absetzte?«
Hawley hob eine Braue. Er war sich nicht sicher, ob Lakes Ehe der angemessene Vergleich für ihn war. »Also gut«, sagte er schließlich. »Aber ich sage es ihr selbst, wenn Sie nichts dagegen einzuwenden haben.«
»Ganz und gar nicht«, sagte Dr. Anthony, der sich bereits die Vorstellungsgespräche für die Auswahl einer neuen Rezeptionistin ausmalte. Er hielt es für eine hübsche Idee, die Gespräche zu Hause und nicht in der Praxis durchzuführen. Vielleicht abends. Bei einem Glas Wein. »Ich freue mich, dass Sie das einsehen, es ist zu Ihrem Besten. Ein neuer Anfang für Sie beide. Etwas Besseres gibt es nicht, wenn Sie mich fragen.«
Hawley nickte, und es dauerte eine Weile, bis er die Worte ganz begriff. »Für uns beide?«, fragte er. »Warum für uns beide?«
»Ach, nun kommen Sie schon, Crippen«, sagte sein Gegenüber mit falscher Gutmütigkeit und boxte Hawley gegen den Arm, als wären sie alte Freunde. »Sie wollen doch wohl nicht in unserer alten, stickigen Praxis bleiben? Sie müssen sich eine Stelle mit besseren Aussichten suchen. Was, wenn Sie eine Familie gründen wollen? Wie soll die dann überleben? Kinder kosten Geld, das kann ich Ihnen versichern. Glauben Sie mir, ich tue Ihnen damit einen Gefallen.«
»Sie werfen mich hinaus?«, fragte Hawley erstaunt.
»Ich eröffne Ihnen neue Möglichkeiten.«
»Das können Sie nicht«, sagte Hawley und raffte allen Mut zusammen, um ihm zu widersprechen. Er hörte die Nervosität in seiner Stimme, als er lauter wurde, und verfluchte sich für seine Schwäche. »Ich arbeite für Ihren Vater und nicht für Sie. Sie haben nicht das Recht, mich hinauszuwerfen.«
Dr. Anthony atmete tief durch die Nase ein, starrte einen Moment lang auf den Boden und schüttelte den Kopf, als hätte man ihn in eine unmögliche Situation gebracht und er könnte nicht verstehen, warum. »Ich habe mit meinem Vater gesprochen«, sagte er, »und ich habe ihn davon überzeugt, dass es für alle das Beste ist.
Ich
trenne mich nicht von Ihnen, sondern
er.
Schießen Sie nicht auf den Überbringer der Nachricht.«
Hawley spürte den plötzlichen Wunsch, gewalttätig zu werden. Er wollte diesen Mann nicht schlagen, wusste er doch, dass er bei so einer Auseinandersetzung den Kürzeren ziehen würde, nein, er wollte ihn zum Invaliden machen, das wäre eine weit passendere Strafe für ihn. Hawleys Kopf war voll mit Bildern aus seinen Schlachthoftagen. Er stellte sich Dr. Lake auf dem Arbeitstisch vor, unfähig, sich zu bewegen, und Hawley machte sich mit seiner Säge und Messer Nr. 9 an die Arbeit. Das Blut sammelte sich auf dem gekachelten Boden, bevor es in den Abfluss gespült wurde.
Am Ende jedoch, feige und unsicher, wie er war, vermochte er seinen Gefühlen keine Luft zu verschaffen, und so blieb ihm wenig, als mit dem Packen fortzufahren und seiner Frau die schlechten Nachrichten zu überbringen. Nach einem Abend voller Diskussionen versuchten sie, soweit es ging, ihre Zukunft zu planen.
Seine nächste Stelle fand er fast genauso, wie er die letzte gefunden hatte, über eine Anzeige im
Scientific American.
In Utah wurde eine neue Augenklinik eröffnet, und es wurde ein Dutzend Assistenten für die Arbeit in der Forschungsabteilung gesucht. Hawley bewarb sich erwartungsvoll, auch wenn Charlotte nicht sicher war, ob sie in einen anderen Staat ziehen sollten.
»Utah?«, fragte sie. »Was gibt es in Utah?«
»Was gibt es in Michigan, meine Liebe? Nicht viel. Utah wird ein neuer Anfang für uns.« Er zog die Brauen zusammen, als er sich die Worte des jungen Dr. Lake wiederholen hörte, schob die Erinnerung aber schnell beiseite. »Wie es aussieht, wird die Klinik eine der modernsten ihrer Art werden. Es wird ungeheuer aufregend für mich sein, da zu arbeiten.«
»Aber das Baby, Hawley«, sagte Charlotte. »Ist das ein sicherer Ort, um unser Baby großzuziehen?« Charlotte war mittlerweile im sechsten Monat, was an sich schon fast so etwas wie ein Wunder war. »Wie ich gehört habe, gibt es sehr viele Verbrechen in Utah, jeden Tag sollen dort Menschen ermordet
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