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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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gesehen hatte, hatte sie sein offensichtlich schlechter Gesundheitszustand betroffen gemacht. In einem Rollstuhl war er nach vorne in die erste Reihe der Kirche geschoben worden, eine Decke über den bleistiftdünnen Beinen, und sie war ein Stück von ihm abgerückt. Louise war kein Mensch, der sich unter Kranken wohlfühlte.
    »Wir können nur für ihn beten«, sagte Louise und suchte nach etwas Positivem, aber ohne Erfolg. Sie sah auf die Uhr und wünschte, Elizabeth tränke ihren Tee aus und verabschiedete sich. Sie musste noch ein paar Briefe schreiben, bevor sie ins Savoy gingen, und ein Liebesroman, der sie seit Tagen in Atem hielt, wartete auf sie.
    »Da ist noch etwas«, sagte Elizabeth, und die Worte stockten ihr in der Kehle. Es klang, als hätte sie Angst, es auszusprechen, brauche jedoch jemanden, dem sie sich anvertrauen konnte.
    »Noch etwas?«, fragte Louise und war plötzlich wieder ganz bei der Sache, da sie ein Geheimnis spürte. »Was denn?«
    »Ich …«, begann Elizabeth, schüttelte den Kopf und weinte wieder. »Ich sollte es nicht sagen.«
    »Natürlich solltest du«, erwiderte Louise gierig. »Himmel, wir sind praktisch Schwestern, oder?«
    »Nun ja …«, sagte Elizabeth und schien sich nicht ganz sicher. Obwohl sie den Gedanken zu verdrängen versuchte, hatte sie oft den Verdacht, dass Louise sie nicht mochte.
    »Also los doch. Du musst mir alles erzählen, genau, wie ich dir alles erzähle.«
    »Aber du verrätst mir nie irgendwelche Geheimnisse.«
    »Das liegt daran, dass ich keine habe, meine Liebe. Und jetzt mach schon. Du fühlst dich besser, wenn du es dir von der Seele redest, ganz gleich, was es ist.«
    »Aber ich kann noch nicht ganz sicher sein«, begann Elizabeth zögernd.
    »Ja?«
    »Es ist noch früh.«
    »Erzähle es mir einfach.«
    Elizabeth schluckte und sah ihrer Schwägerin direkt in die Augen. »Ich glaube, ich bekomme vielleicht ein Kind«, sagte sie.
    Louises Augen weiteten sich, und sie drückte sich eine Hand auf den Bauch, weil sie spürte, wie es darin zu ziehen begann. So ist es, dachte sie, so fühlt es sich an, wenn dir das Blut buchstäblich aus dem Gesicht weicht. »Ein Kind?«, fragte sie und war kaum in der Lage, die verhassten Worte herauszubekommen.
    Elizabeth nickte. »Ich habe einen Termin beim Arzt vereinbart, um es zu bestätigen, aber ich bin so gut wie sicher. Eine Frau spürt so etwas, weißt du.«
    Louise schnappte immer noch nach Luft und wusste nicht, was sie sagen sollte. »Du bist … du bist dir also nicht sicher?«, sagte sie. »Du könntest dich täuschen?«
    »Nun, nicht
völlig
sicher, aber …«
    »Dann mache dir im Moment noch mal keine Sorgen. Es ist vielleicht nur …«
    »Louise, du verstehst mich nicht. Ich hoffe, dass ich schwanger bin. Ich möchte unbedingt ein Kind für Martin und mich. Ich sorge mich nur, dass er zu krank sein könnte, ihm ein richtiger Vater zu sein. Oder schlimmer noch: Was, wenn … was, wenn …?« Sie brachte es nicht über sich, ihren Gedanken auszusprechen und brach erneut in Tränen aus. Louise hätte sie schlagen können. Eine ganze Stunde ging es noch so, bis sie ihre Schwägerin dazu überreden konnte, nach Hause zurückzukehren und abzuwarten, was der Arzt sagte, und dann entschuldigte sie sich, weil sie draußen so nahe an sie herangetreten war, dass sie Elizabeth beinahe die nassen Stufen hinuntergestoßen hätte. Ihrem Ehemann erzählte sie nichts von ihrem Elend, Nicholas hätte sich über die Neuigkeit doch nur gefreut. Ihm schien der Titel nicht wichtig zu sein, dessen Erringung Louise seit ihrer Heirat zu ihrem Lebensziel gemacht hatte, und so hatte sie nur länger als gewöhnlich gebadet und anschließend einen Streit mit ihm vom Zaun gebrochen und verkündet, das Halsband, das er ihr geschenkt habe, sei kitschig und tauge eher für eine Frau von unter der Treppe. Als sie endlich das Haus verließen, war es schon fast vier, und es war klar, dass sie zu spät kommen würden. Im Savoy dann fühlte sich Louise immer noch zwischen Wut und Verzweiflung hin- und hergerissen und hoffte sehnlichst, ihren Ärger an jemandem auslassen zu können.
    Die Nashs waren alte Freunde von Nicholas Smythson, und es war Margaret Nash gewesen, die dafür gesorgt hatte, dass die frisch verheiratete Louise zur Music Hall Ladies’ Guild zugelassen wurde. Die Gruppe kam einmal in der Woche zusammen, besuchte Aufführungen, diskutierte die Tagesereignisse oder, und das war gewöhnlich der Fall, trank Tee und

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