Der Frevel des Clodius
ihm Julia vor, und er musterte sie mit gewohnter Unverfrorenheit.
»Was Frauen angeht, habe ich bisher nie viel von deinem Geschmack gehalten, Decius«, sagte er. »Ich bin froh zu sehen, daß du mit dem Alter Fortschritte machst.« Julia versteifte sich, aber er lächelte sein breites, ansteckendes Lächeln, und Julia lächelte schließlich mit. Niemand konnte Milo widerstehen, wenn er seinen Charme spielen ließ.
»Komm mit, Titus«, sagte ich. »Wir müssen uns unterhalten.«
Ich führte ihn in mein Arbeitszimmer und gab ihm eine knappe Darstellung der Ereignisse und meiner neuesten Erkenntnisse. Er hörte absolut konzentriert zu und las sich Neros Brief durch, als ich darauf zu sprechen kam. Er beherrschte diesen Trick, zu lesen, ohne die Worte laut auszusprechen, etwas, das mir nie gelungen ist. Als er fertig war, gab er mir den Brief zurück und lächelte erneut.
»Siehst du? Ich hab dir gleich gesagt, daß sie nichts damit zu tun hat.«
»Und ich freue mich mit dir, daß die Dame Fausta keines Vergehens schuldig ist. Aber es gibt da noch immer die Belanglosigkeit eines kleinen Hochverrats.«
»Ach das. Darum soll sich der Senat selbst kümmern. Aber es könnte eine gute Gelegenheit sein, Clodius endgültig loszuwerden.«
»Glaub mir, ich werde dir nicht im Weg stehen. Ich muß nur zwei Dinge erreichen: Julia sicher zu Caesars Haus zurückbringen und meine Erkenntnisse dem Senat präsentieren.«
»Der Senat existiert als Körperschaft nur, wenn eine offizielle Sitzung anberaumt wird«, bemerkte er. »Die übrige Zeit gibt es ungefähr fünfhundert über ganz Rom und das Imperium verteilte Senatoren. Bis zur Beendigung des Triumphs wird mit Sicherheit keine Sitzung einberufen werden.«
»Das ist wahr«, sagte ich. »Aber morgen abend nach dem großen Triumphzug wird für den kompletten Senat ein Bankett im Tempel des Jupiter Capitolinus gegeben. Ich werde mich vor allen Anwesenden erheben und den Fall vortragen. Ich möchte sehen, wie Pompeius direkt vor dem Standbild des Jupiters all seiner triumphalen Insignien entledigt und entehrt wird!«
Er schüttelte voller Verwunderung seinen Kopf. »Decius, wenn dir das mit einem Haufen Gerede und dem nicht unterzeichneten Brief eines völlig unbekannten Jungen gelingt, wirst du der größte Römer sein, der je gelebt hat. Aber ich werde dich unterstützen, egal was du vorhast.«
»Mehr verlange ich nicht«, sagte ich.
»Womit fangen wir an?« fragte er.
»Wir bringen Julia nach Hause.«
Wohl nur selten ist eine patrizische Dame so nach Hause geleitet worden, wie Julia an jenem Abend. Sie und ich schlenderten Hand in Hand durch Roms übelst beleumundete Gassen. Der Mond schien hell, während die Römer den Triumph feierten, und von überall drangen festliche Klänge an unser Ohr.
Man hörte aber auch andere Geräusche. Wir waren dicht umringt von einer Horde von Milos Schlägern, und von den Rändern konnte man hin und wieder abgewürgte Schreie, Schläge, das Geräusch von Metall gegen Metall und das unverkennbare, wie brechendes Holz klingende Knacken vernehmen, wenn Milos bronzeartige Handflächen Ohrfeigen verteilten. Manchmal war das Pflaster unter unseren Füßen ein wenig rutschig, aber wir schafften es bis zum "Forum und dem Haus des Pontifex maximus.
Ich erklärte dem Janitor, er solle seinen Herrn holen, und er verschwand. Es war jedoch nicht Gaius Julius Caesar, der erschien. Es war seine Mutter. Sie starrte zunächst Julia, dann die Männer in ihrer Begleitung erstaunt an. Milo und ich zählten noch zu den vorzeigbaren jungen Männern Roms, was man dagegen von seinen verwegen aussehenden Gefolgsleuten nicht unbedingt behaupten konnte.
»Mein Sohn, der ehrwürdige Pontifex maximus, ist im Tempel des Jupiter Capitolinus, wo er die triumphalen Zeremonien vorbereitet. Ich bin seine Mutter.« Ich verbeugte mich. »Ganz Rom kennt die erhabene patrizische Matrone Aurelia.«
»Ich kenne dich nicht, aber dem Aussehen nach stammst du aus dem Gens Caecilia. Da du von vornehmer Geburt und Senator bist, werde ich dir Gelegenheit bieten zu erklären, wie es kommt, daß du dich in Gesellschaft meiner Enkelin aufhältst, die seit dem Vormittag in diesem Haus vermißt wird.«
»Die Dame war mir bei gewissen Diensten zum Wohle der Republik behilflich, die sie ohne ihre Schuld aufgehalten haben.
Wie du siehst, habe ich mich bemüht, für eine angemessene Eskorte zu sorgen.« Milos Schläger grinsten und nickten, ein Anblick, der selbst Dämonen das
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