Der Frevel des Clodius
Kapsel aufbrach. In Zeiten bürgerlichen Unfriedens, wenn die Entscheidung für die falsche Partei den Tod bedeuten konnte, sah man sie überall, in friedlichen Zeiten waren sie jedoch recht selten. Und dies waren relativ friedliche Zeiten.
Ich habe selbst von Zeit zu Zeit einen Giftring getragen.
Wenn man wußte, daß ein wütender Mob jederzeit die eigene Tür aufbrechen konnte oder man von Feinden durch die verwinkelten Gassen gejagt werden würde, war es beruhigend, einen schnellen Ausweg parat zu haben. Man mußte nur die dünne Goldschicht durchbeißen und das Gift heraussaugen, um der Folter, einem Sturz vom Tarpejischen Felsen oder dem Haken zu entgehen, an dem man durch den Tiber geschleift wurde.
Aber dieser Bursche war viel zu jung, um sich ernsthafte Feinde gemacht zu haben. Vielleicht, überlegte ich, wollte er nur ein bißchen Drama in sein Leben bringen. Es war durchaus üblich, daß Jungen, die die Schwelle zum Mannsein eben erst überschritten hatten, derartige Dinge taten: Giftringe oder unter ihrer Tunika versteckte Schwerter tragen oder schreckliche Gedichte verfassen. Aber nichts, das auch nur entfernt mit Publius Clodius zu tun hatte, war zu unbedeutend, als daß es bei mir keinen Verdacht geweckt hätte.
Die Bude war typisch für ihre Art: eine wackelige Konstruktion auf Pfählen mit Wänden und einem Dach aus billigem, schwerem Stoff. Im Gegensatz zu den Ständen der Verkäufer stand kein Tisch vor dem Eingang, auf dem Waren ausgestellt waren. Statt dessen waren die Front und die Seiten mit magischen Symbolen verziert: Halbmonde, Schlangen, Eulen und dergleichen. Ich schob den Vorhang beiseite und duckte mich unter dem niedrigen Eingang. Das Innere war mit Körben vollgestellt, die alle Arten von Kräutern, Fläschchen mit Duftölen und weitere undefinierbare Artikel enthielten, die vermutlich allein für aktive Magiern von Interesse waren. In einem der Körbe raschelte es, und ich entdeckte ein Knäuel sich windender, schwarzer Schlangen.
»Kann ich helfen, mein Herr?« Die Stimme gehörte einer geradezu absurd gewöhnlich aussehenden Bauersfrau. Sie hätte genausogut Rüben verkaufen können.
»Ich bin Senator Decius Caecilius Metellus der Jüngere«, sagte ich gewichtig. »Und ich will wissen, was der adelige junge Mann, der gerade gegangen ist, hier wollte.«
Sie musterte mich. »Gibt es irgendeinen Grund, warum ich mit dir über meine Kunden reden sollte?«
»Dein Gewerbe ist in der Stadt verboten, wie du weißt«, sagte ich.
»Der Streifen ziert deine Tunika und nicht deine Toga«, entgegnete sie. Damit meinte sie, daß ich keine mit einem purpurnen Streifen besetzte Toga praetexta trug und deshalb über keinerlei richterliche Gewalt verfügte.
»Nein, aber mein Vater ist der Censor Metellus«, erwiderte ich.
»Ach, tatsächlich? Ich verfolge die Politik nicht so aufmerksam. Na, wenn das so ist, sollte ich vermutlich mit ihm sprechen. Warum holst du ihn nicht her, und wir setzen uns hin und plaudern ein wenig?«
»Frau, du strapazierst meine Geduld. Weißt du nicht, wie man einem Senator die angemessene Ehre erweist?«
Sie sah mich mitleidig an. »Aber, mein Herr, du weißt doch auch, daß ein Senator nichts weiter ist als ein Bürger mit einem purpurnen Streifen auf der Tunika. Wenn du wüßtest, wie viele Senatoren zu mir kommen und Gift haben wollen, um ihre Frauen umzubringen, oder wegen einer Abtreibung für ein Sklavenmädchen. Ich bin nur eine arme, ehrliche Wahrsagerin und Kräutersammlerin. Die Frauen kommen natürlich auch, weil der edle Gemahl das ganze Jahr weg war und sie ein Baby erwarten, daß genauso aussehen wird wie der gallische Stallbursche. Du wärst schockiert zu erfahren, was deine Kollegen so alles treiben.« Leider war ich kein bißchen schockiert.
»Und du hast natürlich mit alldem nichts zu tun?«
»Das will ich schwer hoffen!« Sie machte einige Zeichen in der Luft, gegen den bösen Blick oder andere übernatürliche Mißgeschicke. »Ich deute die Zeichen und gebe Rat. Wenn du eine Erkältung oder einen Kater hast, kannst du zu mir kommen, aber verlange nicht von mir, etwas Ungesetzliches zu tun.«
Nun, ich konnte kaum erwarten, daß sie zugeben würde, Gift für andere Zwecke als für einen Selbstmord zu verkaufen, denn darauf stand ein schrecklicher Tod.
»Wahrsagerei ist verboten«, betonte ich.
»Nun, es gibt Gesetzesübertretungen, für die man aus der Stadt vertrieben wird; und es gibt solche, für die man ans Kreuz genagelt wird.
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