Der Frevel des Clodius
einer großartigen Sicht auf den Circus Maximus. Als ich den Hügel erklomm, wehten mir Weihrauchschwaden aus dem nahe gelegenen Tempel der Ceres in die Nase. Auf dem gegenüberliegenden Hang konnte ich die prachtvolle, neue Villa von Lucullus sehen.
Als ich den Aventin das letzte Mal bestiegen hatte, war sie noch im Bau gewesen, und es hieß, sie sei bei weitem die luxuriöseste Behausung in Rom, erbaut mit der Kriegsbeute aus Pontus und dem Orient. Lucullus war nicht so reich wie Crassus, aber während Crassus sein Vermögen benutzte, um noch mehr Geld und Macht zu erlangen, machte sich Lucullus mit seinem ein angenehmes Leben.
Als ich ankam, drängten sich die Gäste bereits in das Triclinium, und ich ließ mich auf einem der Sofas nieder.
Hermes nahm meine Sandalen und stellte sich hinter meinen Platz, bereit, mich zu bedienen. Ich hatte ihm befohlen, sich absolut still zu verhalten und alles genau zu beobachten.
Erstaunlicherweise gehorchte er.
Wie allgemein üblich hatte Capito eine gemischte Gesellschaft eingeladen. Er konnte jedoch einen ungewöhnlich großen Anteil an besonders vornehmen Gästen präsentieren, ein sicheres Zeichen für seine politischen Ambitionen im kommenden Jahr. Den obersten Ehrenplatz nahm Marcus Pupius Piso Grugi Calpurnianus, einer der beiden amtierenden Konsuln, ein. Wie viele Männer seiner Art bestand er darauf, statt einer Kurzform das ganze, lange Epos seines Namens zu verwenden.
Männer, die sich ihrer eigenen Größe gewiß sind, ziehen es vor, einen Einzelnamen zu führen, als ob sie seine einzigen rechtmäßigen Träger seien. So gab es denn Alexander, Marius, Sulla, Pompeius, Crassus und, nicht zu vergessen, Caesar. Auf Männer, die nur einen Namen führen, sollte man achten.
Am anderen Ende des Sofas, am Kopf der Tafel, präsidierte der Pontifex Quintus Lutatius Catulus. Catulus galt als einer der bedeutendsten Römer seiner Zeit, aber sein Stern war wie auch der von Hortalus und Lucullus im Sinken begriffen, während die ehrgeizigen Militärs an die Macht drängten. Zwischen Catalus und Piso saß unser Gastgeber Capito.
Am gegenüberliegenden Tisch lagerte Lucius Afranius, wie Capito selbst ein Mann von einiger Würde und wenig Einfluß.
Er hatte vor einigen Jahren als Praetor gedient. An seine Tischnachbarn kann ich mich nicht mehr erinnern, also dürften sie nicht besonders wichtig gewesen sein. Meine Nachbarn auf dem dritten Sofa waren ein seltsames Paar. Zu meiner Rechten saß der Dichter Catullus, nicht zu verwechseln mit dem großen Catulus, dessen Name sich nur mit einem l schrieb. Der junge Poet träumte sich schon seit ein paar Jahren durch Rom, staubte, wo er konnte, ein Essen ab und schrieb Gedichte. Freunde mit literarischer Neigung versichern mir, diese Gedichte seien recht gut. Etliche der zu jener Zeit entstandenen Ergüsse waren an eine geheimnisvolle, hartherzige Frau namens Lesbia gerichtet.
Die meisten glaubten, daß Lesbia in Wirklichkeit Clodia war, die ebenso über die notwendige Grausamkeit wie über eine Vorliebe für die Dichtkunst verfügte. Catullus hatte in Geiers Haus gewohnt, aber ich wage zu bezweifeln, daß er ihr Liebhaber gewesen war. Schließlich hatte er überlebt.
Mein Nachbar zur Linken war die größte Überraschung. Es war der junge Appius Claudius Nero. »Zweimal an einem Tag, mein junger Nero«, sagte ich.
»Wenn ich an diesen orientalischen Astrologie-Hokuspokus glauben würde, müßte ich sagen, unsere Sterne sind verknüpft.«
»Die Sterne haben nichts damit zu tun, Decius«, sagte Capito.
»Ich hatte Clodius eingeladen, aber als er erfuhr, daß du auch kommen würdest, hat er an seiner Stelle den jungen Appius Claudius Nero geschickt.« Das fanden alle zum Schreien komisch, und Neros Gesicht lief so dunkelrot an wie seinerzeit das von Sulla. Es galt immer als besonders witzig, sich über die ganz Jungen, die geistig Minderbemittelten und die Verkrüppelten lustig zu machen, und er tat mir ein bißchen leid.
»Nichts für ungut, Nero«, sagte ich. »Ich weiß, daß du keinen Einfluß darauf hast, mit wem du verwandt bist. In meiner Familie gibt es auch etliche Kandidaten, mit denen ich lieber heute als morgen nichts mehr zu tun hätte.«
»Zum Beispiel Nepos?« stichelte Afranius. Mein Cousin Metellus Nepos war im Gegensatz zur überwiegenden Mehrheit unserer Familie ein glühender Anhänger von Pompeius. Im Jahr zuvor hatte Nepos als Tribun gedient und sein rebellisches Unwesen getrieben. Mit Caesars
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