Der Frevel des Clodius
Letztere nenne ich ungesetzlich.«
»Ich werde so lange hier bleiben, bis du mir gesagt hast, was der Junge hier wollte. Und was passiert dann mit deinen Kunden?«
Sie warf verzweifelt die Arme in die Luft. »Oh, mein Herr!
Warst du nie jung? Bist du nicht jedesmal zu einer Wahrsagerin gerannt, wenn dein Herz wegen der pickeligen Tochter irgendeines Nachbarn höher schlug? Liebeskranke Jungen gibt es allemal mehr als Senatoren in Verlegenheit.«
»Also gut«, sagte ich, »ich will das für den Moment mal glauben, aber vielleicht komme ich wieder. Wie heißt du?«
»Purpurea, mein Herr. Du findest mich an den meisten Tagen hier.«
Stinkwütend ließ ich sie stehen. Manchmal beneide ich orientalische Adelige, deren Untergebene vor ihnen im Dreck kriechen und ihnen die Füße küssen müssen. Purpurea! Wenn Frauen sich schon eigene Namen ausdenken, kommt immer etwas Seltsames dabei heraus. Und ihre unschuldige Pose beeindruckte mich gar nicht. Ich habe in meinem Leben Tausende von Kriminellen gesehen, und die meisten von ihnen konnten einen neugeborenen Säugling wie ein wahres Monster aussehen lassen. Eins war jedenfalls klar: Der Junge hatte Angst, daß man ihn beim Verlassen der Kabine beobachtet hatte.
III
Wenn man zur Mittagszeit einen prominenten Römer sucht, ist es normalerweise zwecklos, ihn zu Hause antreffen zu wollen. Am besten geht man zum Forum und spaziert ein wenig herum, bis er einem über den Weg läuft. So fand ich auch Milo.
Er stand in der Nähe des Tempels von Castor und Pollux, umringt von einer Gruppe rauh aussehender Männer, von denen die meisten eine dunkle Tunika trugen. Milo war der einzige, der sich die Mühe gemacht hatte, eine frische Toga anzulegen.
Er grinste sein breites Grinsen, und seine weißen Zähne blitzten, als er mich sah.
Wir waren schon seit Jahren befreundet, was die meisten meiner Kollegen für skandalös hielten. Er war der mächtigste Bandenchef Roms, sein einziger ernst zu nehmender Rivale war Clodius. Er war ein großer Mann, noch immer jung und extrem gutaussehend. In jüngeren Jahren war er Ruderer gewesen und genauso kräftig wie ein professioneller Gladiator oder Ringer.
Wie gewöhnlich begrüßten und umarmten wir uns, und er lud mich zu sich ein, wo wir ungestört reden konnten.
Die mittlere Festung, die Milo sein Heim nannte, erstreckte sich über einen ganzen Block in einem der besseren Elendsviertel; es war gut ausgestattet mit Straßenkämpfern, unter ihnen zahlreiche Veteranen der Legion und der Arena. Wir nahmen an einem Tisch in Milos riesigem Versammlungsraum Platz, und einer seiner Männer brachte uns gewässerten Wein.
Milo war nie jemand gewesen, der sich lange mit unverbindlichen Freundlichkeiten aufgehalten hatte, also kam ich direkt zur Sache.
»Milo, warum ist Clodius noch immer in Rom?«
»Seine Anwesenheit ist mir nicht entgangen«, sagte Milo.
»Genausowenig wie die Tatsache, daß Caesar eine ganz untypische Verbundenheit mit unserer Stadt zeigt, wo er sich doch andernorts um seine Reichtümer kümmern sollte.« »Gaius Julius ist nicht von Bedeutung«, sagte ich.
»Noch nicht, aber behalte ihn im Auge. Und Clodius ist Caesars Mann.«
Ich erinnerte mich an die seltsame Szene von heute morgen.
»Du meinst, es gibt einen Zusammenhang?«
»Ich weiß, daß Clodius zur Zeit kaum etwas ohne Caesars Erlaubnis macht.«
Mein Becher blieb auf halbem Weg zum Mund in der Luft hängen. »Das ist allerdings neu. Sind da etwa neue Verbindungen geknüpft worden, als ich weg war?«
»Die Verbindungen sind im großen und ganzen dieselben geblieben. Nur die Zahl der Mitspieler hat sich verringert.
Vorher gab es zahlreiche Banden, die die Straßen Roms kontrollierten. Jetzt sind es nur noch zwei: meine und Clodius'.
Früher gab es jede Menge politisierende Militärs und Rechtsanwälte, die miteinander um die Herrschaft über Rom und das Imperium gerungen haben. Die meisten von ihnen sind ausgestiegen oder eliminiert worden. Lucullus, Hortalus und der Rest haben den Ring verlassen, in dem der große Kampf um die Macht ausgetragen wird.«
»Hortalus ist zusammen mit meinem Vater Censor«, widersprach ich ihm.
»Ein Amt von großem Ansehen, aber ohne Imperium. Nein, Decius Caecilius, die Bewerber sind jetzt Pompeius, Crassus und Cicero, sowie Caesar, der sich bald zu ihnen gesellen wird, wenn er aus Spanien zurück ist.«
»Ich vertraue deinem Instinkt«, sagte ich. »Du sagst also, Clodius sei jetzt Caesars Mann. Celer hat mir erzählt,
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