Der Frevel des Clodius
entsprach Crassus' Geldgier. Sie haßten sich, konnten aber bei Bedarf auch ganz gut zusammenarbeiten.
Meine Gründe, ihn zu besuchen, waren ein wenig abwegig.
Normalerweise versuchte ich, einem Treffen mit ihm unter allen Umständen aus dem Wege zu gehen, aber ich war neugierig auf seine politische Ausrichtung, die sich während meiner Abwesenheit von Rom durchaus verschoben haben konnte. Vor allem war ich unsicher, welche Haltung er gegenüber Clodius einnahm, und mein quasioffizieller Status gab mir die Gelegenheit, ihn ein bißchen auszuhorchen.
Ich traf ihn im Atrium inmitten eines Haufens seiner Kumpanen an. Als ich hereinkam, beobachteten sie ihn, um zu wissen, wie sie mir gegenübertreten sollten. Er lächelte und kam mit ausgestreckter Hand auf mich zu, und sie standen wieder bequem. Crassus konnte so jovial sein wie Lucullus, wenn es ihm paßte, aber seine herzliche Kameradschaft reichte nie bis in seine Augen. Wir tauschten die üblichen Begrüßungsfloskeln aus, und er fragte nach dem Befinden meines Vaters. Ich sah mich im Raum um, konnte aber seinen Sohn, den jüngeren Marcus Crassus, nirgends entdecken.
Ich erklärte ihm knapp die Natur meiner Mission, und er nickte verständnisvoll, als ich ihm die politischen Feinheiten des Falles erläuterte.
»Schmutzige Geschichte«, sagte er. »Ich kann Geiers Sorgen wegen Glodia gut verstehen. Diese Frau hat keinem Mann je etwas anderes als Ärger bereitet.«
Ich vermied es, auf seine finsteren Machenschaften mit dieser Frau hinzuweisen. Das war Teil jenes unausgesprochenen Waffenstillstands, wie er jetzt zwischen mir und Crassus herrschte, daß solche Dinge unausgesprochen blieben, bis die Feindseligkeiten wieder ausbrachen.
»Dann wirst du mein Dilemma verstehen«, sagte ich. »Ich kann Felicia schlecht befragen«, meine Vereinbarung mit Julia erwähnte ich natürlich nicht, »und Marcus der Jüngere würde es sicher als schwere Beleidigung empfinden, wenn ich ihn darauf ansprechen würde, aber du als Pater familias könntest die Angelegenheit in die Hand nehmen.« Ich erwartete keinerlei Hilfe von ihm. Die Anfrage sollte nur der Form Genüge tun.
»Das werde ich selbstverständlich mit dem größten Vergnügen tun«, log er jovial.
»Was glaubst du, was Clodius vorhatte?« fragte ich.
»Das war bestimmt wieder nur einer seiner idiotischen Streiche. Welchen ernsthaften Schaden hätte er bei einer religiösen Zeremonie für Frauen anrichten können? Seine Vorstellung von Amüsement ist genauso belämmert wie seine politischen Ideen.«
Das war neu. »Ich wußte gar nicht, daß er politische Ideen hat. Oder irgendwelche Ideen.«
»Was sagst du? Richtig, du bist in diesem Jahr nicht in Rom gewesen, nicht wahr?«
»Klär mich auf«, sagte ich. »Ich weiß, daß er Tribun werden will, wenn es ihm gelingt, den Stand zu wechseln und Plebejer zu werden, aber ich hatte geglaubt, daß er kein besonderes Anliegen verfolgen würde, außer allgemein Unruhe zu stiften.« »Unruhe ist genau das richtige Wort. Er ist ein Mann des Volkes geworden, weißt du. Er plant, die Getreideversorgung zum dauerhaften Bürgerrecht zu machen, kostenlos.«
»Das ist in der Tat radikal«, sagte ich, während ich im Kopf die verschiedenen Möglichkeiten durchspielte. Die Getreideversorgung gab es seit der Frühzeit Roms als Wohlfahrtsmaßnahme für Notfälle. Sie war eingerichtet worden in den Tagen, als die Bauern aus dem Umland in Belagerungszeiten Zuflucht innerhalb der Stadtmauern gesucht hatten. In Zeiten von Hungersnöten oder anderem Mangel war sie häufig wiederbelebt worden, manchmal auch zur Feier eines wichtigen Anlasses. Jeder Bürger der Stadt ließ seinen Namen in den Getreideversorgungslisten eintragen. Es war sogar so, daß der alte Ausdruck »Empfänger der staatlichen Getreideversorgung« gleichbedeutend mit »Bürger« war und selbst von den Wohlhabendsten benutzt wurde, obwohl sie diese Unterstützung nie in Anspruch nehmen würden.
»Das ist aber noch nicht das Schlimmste. Er trommelt jetzt schon um Unterstützung in der plebejischen Volksversammlung und verspricht die Verabschiedung der skandalösesten Gesetze, wenn sie ihn zum Tribun wählen.«
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Das war jenseits der wüstesten Exzesse unseres Wahlsystems. Normalerweise widmete man sich lange Jahre dem öffentlichen Dienst und forderte anschließend, zur Belohnung gewählt zu werden, nicht ohne bei jeder Gelegenheit auf die eigene vornehme Herkunft zu verweisen. Bisher
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