Der Frevel des Clodius
war noch nie jemand auf die Idee gekommen, dem Wahlvolk irgendwelche Versprechen für die Zeit nach der Wahl zu geben. Das hatte selbst Caesar noch nicht gebracht.
Dieser Gedanke veranlaßte mich zu allerlei Spekulationen, die jedoch von Crassus unterbrochen wurden.
»Und er unterstützt Pompeius mit seinen Landversprechen.«
»Das ist zumindest konsequent«, bemerkte ich. »Wenn man sich auf so skandalöse Weise beim Mob einschmeichelt, will man natürlich auch die Veteranen auf seine Seite bringen.«
»Genau das habe ich auch gedacht. Ich ertappe mich bei der Frage, ob er Pompeius um ein paar dieser Veteranen bitten wird.
Ein so bedeutender Mann, wie Clodius es sein möchte, braucht schließlich eine anständige Eskorte.«
»Eine Privatarmee? Er hat doch schon eine riesige Bande von Ex-Gladiatoren und Straßenkämpfern.« l »Pompeius' Veteranen würden der ganzen Sache einen gewissen Anstrich geben, ganz zu schweigen davon, daß Pompeius und er so ihre Verbundenheit demonstrieren könnten.« Das klang zwar recht plausibel, aber ich vermutete, daß dahinter nichts als reine Bösartigkeit von Crassus steckte. Er wollte seinen alten Rivalen in Verdacht bringen. Als ob ich der Ermutigung bedurft hätte, Pompeius aller möglichen Vergehen zu verdächtigen.
»Und«, fuhr Crassus fort, »ich habe beobachtet, daß Pompeius ihm ein paar etruskische Wahrsagerinnen ausgeliehen hat.
Dressierte Wahrsagerinnen sind für einen ehrgeizigen Mann immer von Vorteil.«
»Ich wußte gar nicht, daß Clodius neuerdings den Eingeweide-Beschauern huldigt.« Alle unsere Haruspices kamen damals aus Etrurien.
»Oh, und wie«, versicherte Crassus mir. »Du weißt doch, wieviel Ehrfurcht das gemeine Volk ihnen entgegenbringt. Und eine Machtbasis in Tuscia bringt, sagen wir, gewisse militärischpolitische Vorteile mit sich.« Er benutzte das verbreitete lateinische Wort für die alte etruskische Nation. Eine Machtbasis dort hatte in der Tat etwas für sich, wenn man bedachte, daß man nur den Tiber überqueren mußte, um nach Tuscia zu gelangen. Der Trans-Tiber-Distrikt lag schon auf etruskischem Boden. Tuscia war schon seit Menschengedenken unter römischer Hegemonie, aber die Etrusker waren ein unabhängiges Volk und betrachteten uns als Emporkömmlinge.
Und in den Adern der Claudier floß etruskisches Blut, auch wenn sie immer behaupteten, sabinischer Abstammung zu sein.
In den letzten Jahren hatte es eine wahre Manie für alles Etruskische gegeben. Selbst Menschen, die vor zwei Generationen als Sklaven nach Italien gekommen waren, behaupteten plötzlich, etruskischer Herkunft zu sein. Andere bezahlten absurde Preise für echt etruskische Kunst, und es gab einen schwunghaften Handel mit Fälschungen. Jetzt, wo dieses Volk so gut wie ausgestorben ist, sind die Etrusker von einer gewissen romantischen Aura umgeben, die zu den Zeiten, als es sie noch gab und sie uns nichts als Ärger machten, nicht existierte. Damals konnten wir uns noch gut daran erinnern, daß sie einst als Könige über uns geherrscht hatten, und empfanden wenig Zuneigung für sie. Jetzt genossen sie vor allem auf dem Gebiet der Magie und Wahrsagerei Weltruf, was ich immer für eine lockere Art gehalten habe, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ohne wirklich arbeiten zu müssen.
Ich hatte noch ein paar weitere Fragen, aber wir wurden durch die Ankunft von niemand Geringerem als Gaius Julius Caesar mit seinem gesamten Anhang unterbrochen.
»Ich fürchte, ich muß mich verabschieden, Decius«, sagte Crassus. »Der Pontifex maximus und ich haben etwas zu besprechen.« Er senkte die Stimme, als würde er mich in ein großes Geheimnis einweihen. »Ich habe ihn so gut wie überredet, mich auf den nächsten freiwerdenden plebejischen Sitz im Kollegium der Pontifices zu berufen.«
»Darf man schon im voraus gratulieren?« fragte ich. Ich bezweifelte nicht, daß er die Wahrheit sagte, aber ich war mir genauso sicher, daß es um weit wichtigere Dinge als priesterliche Ehren ging. Caesar hatte Schulden. Crassus hatte Geld. Man mußte nicht Aristoteles sein, um eine Verbindung zu erkennen. Auf dem Rückweg von Crassus' Haus grübelte ich dieser Verbindung zwischen Caesar und Crassus nach. Was ich jetzt brauchte, entschied ich, war eine gute, unvoreingenommene Quelle für Gerüchte, Klatsch und Schmäh. Und ich wußte auch genau, wo ich die finden würde.
VII
Eine ausländische Botschaft mag einem als ein seltsamer Ort erscheinen, halbwegs verläßliche Informationen
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