Der Frevel des Clodius
viel aus ihr herauszubekommen. Wie willst du mit mir in Kontakt bleiben?«
»Hast du einen vertrauenswürdigen Sklaven?« »Ich habe einen Jungen namens Hermes, aber er ist ein unzuverlässiger Schlingel.«
»Dann werde ich jemanden zu dir schicken, wenn ich etwas Substantielles zu berichten habe.«
»Eins wüßte ich trotzdem noch gerne. Warum tust du das alles? Mal abgesehen davon, daß du dich langweilst, meine ich.«
»Ich finde, das ist ein hinreichender Grund. Außerdem kann ich, wie alle anständigen römischen Frauen, Clodia nicht ausstehen.«
»Das ist faszinierend. Die meisten Männer hegen ganz ähnliche Gefühle für ihren Bruder. Geh ihr einfach aus dem Weg.«
»Das wird nicht weiter schwierig sein. Ich habe Angst vor ihr.«
»Das solltest du auch. Mir persönlich jagt sie auch das nackte Grauen ein. Sie ist sehr viel subtiler als Clodius.« Ich erwog, ihr von dem Vergiftungsversuch zu erzählen, hielt mich aber zurück. Ich war ohnehin schon viel zu vertrauensselig gewesen.
Ich erhob mich von der Bank.
»Ich werde mich jetzt verabschieden und hoffe, bald von dir zu hören.« Sie begleitete mich unter Beachtung sämtlicher Höflichkeitsregeln zur Tür, die sie wohl vor allem für ihren Drachen von Großmutter vorführte.
Reichlich verwirrt ging ich davon. Man mag sich darüber wundern, daß ich es auch nur in Erwägung zog, einem Mitglied von Caesars Familie zu trauen. Ein entscheidender Grund war, daß ich ihr trauen wollte. Meine Meinung, Verstand und Lust durcheinanderzubringen, hat mich schon in mehr verzwickte Lagen gebracht, als mir zu erinnern lieb ist. Trotzdem sagte mir mein Instinkt, auf den ich mich gelegentlich verlassen konnte, daß sie es ehrlich meinte.
Andererseits war es ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, abgelenkt zu sein, weil mein nächster Besuch dem Haus eines Mannes galt, den ich wirklich fürchtete. Die Pfade von mir und Marcus Licinius Crassus hatten sich schon mehr als einmal gekreuzt, und obwohl wir zur Zeit freundliche bis herzliche Beziehungen unterhielten, betrachtete ich das keineswegs als einen Dauerzustand.
Marcus Licinius Crassus Dives galt als der reichste Mann der Welt, und sein Haus tat nichts, diesen Ruf zu widerlegen. Es lag in der Nähe von Geiers Haus auf einem Grundstück, auf dem einst die Häuser mehrerer Feinde Sullas gestanden hatten.
Crassus hatte für den Diktator die früheren Eigentümer eliminiert und war dafür mit ihrem Grund und Boden belohnt worden. Er hatte die alten Gebäude niederreißen und seinen eigenen Palast erbauen lassen, umgeben von einem weitläufigen Park, gestaltet von den bedeutendsten griechischen Künstlern und vollgestellt mit der aufwendigsten Ansammlung von Skulpturen, die man sich vorstellen kann. Die Sammlung besaß in Rom schon deshalb Seltenheitswert, weil Crassus die meisten seiner Schätze tatsächlich ehrlich gekauft hatte. Nur ein anständig kleiner Teil war geerbt, und fast nichts davon war Kriegsbeute. Das war damals noch eine ziemlich neue Geschichte in Rom, wo wir große Kaufkraft immer sofort mit wohlhabenden Equites und Freigelassenen assoziierten.
Das Scheffeln von Geld war Crassus' Leidenschaft, fast eine Krankheit. Viele seiner Zeitgenossen strebten nach Macht, weil sie glaubten, daß Reichtum sich als natürliche Begleiterscheinung der Macht einstellen würde. Crassus war der erste Römer, der begriff, daß Reichtum Macht war. Andere mühten sich jahrelang ab, wichtige militärische Kommandos zu bekommen, damit sie in fernen Ländern Kriegsbeute und Ruhm einheimsen konnten. Crassus wußte, daß er sich jederzeit seine eigene Armee kaufen konnte.
Ich war damals Crassus gegenüber argwöhnisch. Natürlich war es praktisch unmöglich, ihm gegenüber nicht argwöhnisch zu sein. Er war in so viele Intrigen verwickelt, daß die Vorstellung, sie alle zu ergründen, geradezu lächerlich war. Wir alle wußten, daß er irgendwelche dunklen Geschäfte mit Ptolemaios dem Flötenspieler, dem potentiellen König Ägyptens, trieb. Aber Ptolemaios litt unter chronischer Geldnot, so daß es fast natürlich war, daß er sich um Crassus' Gunst bemühte. Crassus suchte den Senat zu einem Krieg gegen Parthien zu bewegen. Wir hatten zwar keinen speziellen Anlaß zum Streit mit Parthien, aber es war die letzte, wirklich reiche Nation an unseren Grenzen, und Crassus wollte seine Chance bekommen, bevor Pompeius sie ihm wegschnappte. Am Ende bekam sie trotzdem Pompeius. Sein zielbewußtes Streben nach militärischem Ruhm
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