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Der Frevel des Clodius

Der Frevel des Clodius

Titel: Der Frevel des Clodius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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huschten förmlich aus seinem Blickfeld.
    Clodius war so außer sich, daß er tatsächlich einmal kein Wort herausbrachte. Sein Gesicht verfinsterte sich ins dunkelste Rot, und pochende Zornesadern zeichneten sich auf seiner Stirn ab. Seine Iris war rot von geplatzten Äderchen wie nach einem Drei-Tage-Suff. Wenn er jetzt noch die Zunge herausgestreckt hätte, wäre er den Gorgonen, deren Abbild man auf alten griechischen Schilden findet, zum Verwechseln ähnlich gewesen. Es war ein höchst unterhaltsames Spektakel, aber es konnte nicht dauern. Unter Caesars zornigem Blick begann die extravagante Farbe aus Clodius' Gesicht zu weichen. Als er sich wieder einigermaßen im Griff hatte, fuhr er herum und stolzierte, gefolgt von seiner betretenen Anhängerschaft, davon.
    Binnen Sekunden war die Straße bis auf Caesar wie leergefegt.
    Es war das erstaunlichste Schauspiel, das ich seit langem gesehen hatte. Er drehte sich zu mir um.
    »Wie ist es dazu gekommen, Decius Caecilius?« fragte er.
    »Komm mit rein, dann werde ich dir alles erzählen, Gaius Julius«, sagte ich. Caesar kam herein, und ich erzählte ihm natürlich nicht alles, nur wie ich den jungen Nero getroffen hatte und ihm dann noch einmal vor der Bude der Kräuterfrau und in Capitos Haus begegnet war. Den Part mit dem versuchten Giftmord und der nächtlichen Entdeckung der Leiche ließ ich weg. Da mir die ganze Sache genauso rätselhaft wie jedem sonst war, mußte ich meine Ahnungslosigkeit nicht einmal vortäuschen.
    »Das ergibt alles überhaupt keinen Sinn«, sagte Caesar.
    »Ich hätte es nicht treffender formulieren können.«
    »Eine irritierende Angelegenheit«, sinnierte er. »Zwei identisch ausgeführte Morde, und beide Opfer waren Patrizier.«
    »Nicht zu vergessen Capitos Janitor«, erinnerte ich ihn. Er war kein Patrizier.
    »Wahrscheinlich hat er für den Bruchteil einer Sekunde das Gesicht des Mörders gesehen«, meinte Caesar. »Man hat ihn vermutlich als Zeugen eliminiert.«
    »Das sehe ich auch so«, sagte ich. Dann erzählte ich ihm, was Asklepiodes über die Wunden gesagt hatte. Warum sprach ich so offen mit Caesar? Zum Teil, weil ich vermutete, daß er irgendwie in die Geschichte verwickelt war, und hoffte, daß er seine Komplizenschaft verraten würde. Zum Teil wohl auch, weil ich mich innerlich auf eine zünftige Schlägerei mit Clodius gefreut hatte und Caesar das Feuer gelöscht hatte. In einem weniger frustrierten Zustand wäre ich vielleicht vorsichtiger gewesen.
    »Das ist in der Tat seltsam. Darf ich das so verstehen, daß du dich wieder in eine deiner unnachahmlichen Ermittlungen gestürzt hast?«
    »Es hilft einem, die Zeit zu vertreiben«, sagte ich.
    Er wurde plötzlich sehr ernst. »Decius, mein Freund. Ich habe viele Männer gesehen, die den Tod aus Ruhmsucht herausgefordert haben. Andere tun es in ihrem Streben nach Reichtum, Macht oder Rache. Du bist der einzige Mann, den ich kenne, für den es eine Art Denksportaufgabe ist.«
    »Jeder Mensch findet seine Genüsse, wo er will«, sagte ich, einen alten Spruch zitierend, den ich schon oft als Inschrift auf Grabsteinen gelesen hatte.
    »Du bist ein faszinierender Mann, Decius Caecilius. Ich wünschte, es gäbe mehr wie dich in Rom. Die meisten Männer sind stumpfsinnige Langweiler. Meine Nichte hat mir von deinem Besuch gestern erzählt. Sie war ganz angetan von dir.«
    Das überraschte mich, aber ich antwortete ohne Ausflüchte.
    »Wie ich von ihr.«
    Er nickte wohlwollend. »Das höre ich gern. Wir müssen das irgendwann einmal weiter erörtern. Im Moment jedoch erwartet man mich anderenorts. Guten Tag, Decius.«
    Seine Worte hatten mich ziemlich verdutzt. Wollte er eine Heirat andeuten? Oder versuchte er mich abzulenken? Was letzteres anbetraf, war es ihm jedenfalls nicht gelungen, mich die -A Frage vergessen zu lassen, die mir seit seinem Erscheinen im Kopf herumging.
    »Gaius Julius«, sagte ich.
    Er drehte sich auf der Schwelle um. »Ja?«
    »Wie kommt es, daß du so schnell hier warst?«
    Er lächelte. »Immer ganz der Detektiv, was? Zufällig war ich gerade im Tempel der Libitina, als Clodius' Sklave kam, um den Bestatter zu rufen.«
    »Ach so«, sagte ich. »Pontifikalpflichten?« »Ich habe Vorkehrungen für eine familiäre Gedenkfeier getroffen«, sagte Caesar. »Die Göttin ist ein Aspekt der Altehrwürdigkeit meiner Familie.« Caesar hatte gerade damit begonnen, die göttlichen Ursprünge des Julianischen Clans zu betonen, und ließ keine Gelegenheit aus, sie zu

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