Der Frevel des Clodius
untypisch, daß sie ihn vor seinen Feinden herunterputzte. Ich war bereits argwöhnisch. Argwohn wurde mir zur Gewohnheit, wenn ich mit Clodia zu tun hatte. Aber es war wirklich faszinierend.
Konnte es sein, daß sie mehr als ein bißchen wütend auf ihren geliebten Bruder war? Dann rief jemand aus einem anderen Zimmer.
»Clodia? Wer ist denn da?«
»Störe ich?« fragte ich.
»Ja, aber ich verzeihe dir. Komm, Decius, du mußt Fulvia kennenlernen.«
»Fulvia? Ist sie zurück in Rom?« Ich kannte nur eine einzige prominente Frau dieses Namens, und die war nach dem catalinaischen Debakel aus Rom geflohen.
»Nein, es ist eine Verwandte. Sie ist gerade aus Baiae eingetroffen.«
Wir betraten eines der Schlafzimmer, das Clodias Geschmack an erotischer Kunst offenbarte. Das Dekor erinnerte an ein Bordell, aber hier wie überall war alles von erlesener Qualität.
Ein junges Mädchen saß aufrecht in einem Bett mit Seidenkissen, und ich verneigte mich förmlich, vorsichtig darauf bedacht, möglichst unbeteiligt zu wirken, weil ich wußte, daß Clodia wieder einmal versuchte, mich aus der Fassung zu bringen.
Das Mädchen war außerordentlich schön, ihr Haar blond wie das der Germanen. Sie war so schmal und klein, daß man sie leicht für ein Kind hätte halten können, aber auch sie trug ein Seidengewand, das diesen Eindruck schnell zerstreute. Sie hatte große Augen und hinreißend volle Lippen. Sie schien kaum älter als sechzehn, aber ihr Gesicht trug bei aller Reinheit jenen unbeschreiblichen und doch unverkennbaren Ausdruck abgrundtiefer Verdorbenheit.
»Meine Liebe«, sagte Clodia, »das ist Decius Caecilius Metellus der Jüngere, Sohn des Censors.«
»Es ist mir eine ganz besondere Ehre, einen so bedeutenden Mann zu treffen«, sagte Fulvia. Odysseus hatte seinen Männern befohlen, sich genau gegen diese Art Stimme Wachs in die Ohren zu stopfen. Im Gegensatz zu Odysseus war ich an keinen Mast gebunden, und es bedurfte einiger Anstrengung, nicht zu ihr aufs Bett zu springen.
»Ganz Rom ist hocherfreut, eine so entzückende Besucherin zu haben«, sagte ich. »Ist dies bloß ein vorübergehender Aufenthalt, oder dürfen wir hoffen, daß du uns länger erhalten bleibst?«
»Fulvia«, sagte Clodia, »ist mit Clodius verlobt.«
Ich sah sie mit süffisant hochgezogenen Brauen an. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen. »Bist du nic ht eifersüchtig?«
Sie verzog keine Miene. »Menschen wie wir verfügen über eine Flexibilität, die du dir nicht einmal vorstellen kannst, Decius.«
Sie unterschätzte meine Vorstellungskraft, aber ich schwieg dazu. »Und war die junge Fulvia in jener mittlerweile berüchtigten Nacht der Riten auch in Caesars Haus?« fragte ich, um auf das anstehende Thema zurückzukommen.
»An den Riten nehmen nur verheiratete Frauen teil, Decius«, sagte Clodia. »Fulvia hat mich dorthin begleitet, aber an den Riten durfte sie nicht teilnehmen.«
»Und wie ist Clodius reingekommen?« wollte ich wissen.
»Ich bin schlechterdings unfähig, mir auszumalen, wie er als Frau verkleidet aussieht. Mit wem war er denn angeblich verheiratet?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Clodia. »Er hat mir nicht erzählt daß er kommen wollte.«
»Ich verstehe. Und wie hat man ihn entdeckt?«
»Oh, das geschah während einer...« Sie hielt inne. »Nein, ich fürchte, das darf ich dir nicht erzählen.«
»Nun, werd mal nicht komisch. Wann hast du dich je um Gesetze und Regeln geschert? Der Umhang der Frömmigkeit steht dir nicht, Clodia.«
»Wer spricht denn von Frömmigkeit?« sagte sie. »Das ist eine Frage des Gesetzes. Hast du nicht geschworen, die Gesetze des Senates und des Volkes von Rom zu achten?«
»Darüber läßt sich in der Tat diskutieren«, meinte ich. Auf eine plötzliche Eingebung hin sponn ich ein jüngst mitangehörtes Gespräch ein wenig aus. »Ich war unlängst bei einer Debatte unter einigen der höchsten Repräsentanten der Regierung zugegen, bei der die Frage aufgeworfen wurde, ob der Kult der Bona Dea überhaupt römischen Ursprungs ist. Es könnte durchaus sein, daß es im Einklang mit unseren Gesetzen ist, eine Zeugenaussage zu den Riten zu verlangen.« Ich hatte unseren müßigen Plausch beim Essen in den Rang einer Senatsdebatte erhoben, aber das brauchte sie nicht zu wissen.
Ein Ausdruck, der mich stark an Furcht erinnerte, huschte über Clodias liebreizendes Gesicht.
»Wenn das der Fall sein sollte«, sagte Fulvia, »kann man Clodius wohl schwerlich eines wirklich
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