Der Frevel des Clodius
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Es bedurfte einiger Herumfragerei, aber zu guter Letzt spürten wir Milo in einem riesigen Lagerhaus in der Nähe des Flusses auf. Ich war einer von vielleicht fünf oder sechs Männern, die rund um die Uhr Zutritt zu ihm hatten.
Das Treiben in dem Lagerhaus unterschied sich nicht groß von dem im Ludus. Milo drillte seine Männer in den Feinheiten des Straßenkampfes. Er hatte Toga und Würde beiseite gelegt und stand in seiner Tunika da, während eine Reihe von Männern mit Messern und Keulen ihn vorsichtig umkreisten. Hermes hielt den Atem an, als einer der Männer vorsprang und mit seinem Knüppel auf Milos Kopf zielte. Im Gegensatz zu den meisten Männern duckte Milo sich nicht, wenn er mit einer Waffe angegriffen wurde. Statt dessen blockte er sie mit der Handfläche ab, was jedesmal ein lautes Knacken hervorrief. Ich glaube, Milo hätte so selbst ein Schwert abwehren können. Die Jahre am Ruder hatten seine Handflächen hart gemacht wie den Schild von Achilles, und so waren sie sein ganzes Leben lang geblieben. Mit der anderen Hand packte er die Tunika des Angreifers und gab ihm einen kräftigen Stoß, so daß er direkt in einen weiteren Mann krachte, der sich mit gezücktem Messer näherte. Beide Männer stürzten übereinander zu Boden. Milo trug nie eine Waffe und brauchte auch keine.
»Das war gut«, sagte er. »Laß uns etwas anderes probieren.«
»Das ist nicht fair, Boss«, sagte ein zahnlückiger Gallier.
»Wir können Waffen nicht einfach so mit der Hand abwehren.« »Dann werde ich euch etwas Nützliches beibringen«, sagte Milo grinsend. »Stellt euch in zwei Mannschaften gegenüber auf.« Die Männer taten, wie ihnen geheißen. »So, die Idee dieser Übung ist folgende: Ihr verteidigt euch immer nur gegen den Mann direkt vor euch, haltet aber die Männer im Auge, die links und rechts neben euch gegen eure Kameraden kämpfen. In dem Moment, in dem sich einer von ihnen eine Blöße gibt, dreht ihr euch zur Seite und schlagt zu. Normalerweise ergibt sich eine Gelegenheit, wenn der Mann neben euch angreift. Bewegt euch schnell. Er wird euch nicht kommen sehen, und für den Mann, mit dem ihr beschäftigt seid, wird das Manöver völlig unerwartet kommen. Geht anschließend sofort wieder in Deckung, dann bleibt ihm keine Zeit, eure Blöße zu nutzen. So, das wollen wir jetzt mal probieren.«
Die beiden Mannschaften stürzten sich mit Begeisterung in die Sache, und Hermes johlte jedesmal laut Beifall, wenn Holz auf Haut traf. Diese Männer waren unverbesserliche Raufbolde, denen diese Übung tatsächlich Spaß machte. Seit den Gebrüdern Gracchus war Massengewalt eine allgemein verbreitete Realität der römischen Innenpolitik. Mit kaltblütiger Nüchternheit feilte Milo an der Technik seiner Schläge wie Caesar und Cicero an ihren Reden. Als er mit ihren Darbietungen zufrieden war, kam er herüber, um mich zu begrüßen.
»So langsam kommen sie in Form«, meinte er brummend.
»Für mich sehen sie wüst genug aus«, stellte ich fest.
»Wildheit an sich ist nichts Besonderes. Clodius' Bande ist auch reichlich wild. Straßenschlachten gewinnt man nur durch konzertierte Aktionen. Gladiatoren kennen lediglich den Einzelkampf, und der gemeine Schläger denkt nicht weiter als bis zu seinem Schlagring. Ich brauche eine richtige Straßenarmee und habe vor, mir eine aufzubauen.«
»Du solltest vorsichtig sein, Titus«, mahnte ich ihn. »Ein paar Worte in den falschen Ohren, und man könnte dich der Vorbereitung eines Auf Stands bezichtigen.«
»Ich habe Cicero und noch eine ganze Menge mehr, die sich für mich einsetzen«, sagte er. »Für jeden Senator, der mich stürzen sehen will, gibt es einen Feind von Clodius, der in mir den Retter Roms sieht.«
»Cicero steht zur Zeit nicht allzu hoch im Kurs«, warnte ich ihn, »und wenn Pompeius in ein paar Tagen in die Stadt zurückkehrt, wird er so lange die Macht in Rom sein, bis sich neue Allianzen gebildet haben.«
»Deine Sorge rührt mich«, sagte Milo, »aber ich habe seit Jahren daran gearbeitet, die notwendige Rückendeckung aufzubauen. Im Augenblick fühle ich mich ziemlich sicher.«
»Wie du meinst«, sagte ich. »Titus, ich muß wissen, in welche üblen Machenschaften Mamercus Capito verwickelt gewesen sein könnte. Ich...«
»Das kann ich dir auf der Stelle sagen«, unterbrach er mich.
»In gar keine. Ich habe mich umgetan, sobald ich von dem Mord erfahren hatte. Er verfügte über keine wichtigen Kontakte zur römischen Unterwelt,
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