Der Friseur und die Kanzlerin
Repressalien, die sich aus dem Vorangegangenen ergaben, was in seiner Gesamtheit mein Glühen vorübergehend abkühlte, mich aber nicht davon abhielt, beim nächsten Mal das verwerfliche Glotzen wiederaufzunehmen.
Als ich sie jetzt sah, errötete ich unwillkürlich.
«Es gibt überhaupt kein Getue», stotterte ich, «und einen Einschreibebrief gibt es auch nicht. Ich bin ein Freund von Romulus, wie ich anfangs sagte. Und da mir das keinen Zugang verschaffen konnte, habe ich eben das andere erfunden. Entschuldigen Sie diese List und mein Eindringen. Aber da ich schon so weit gekommen bin, will ich Ihnen auch den Grund für mein Hiersein erklären. Ich glaube nicht, dass Sie mich damals gesehen haben oder dass Ihr Mann Ihnen von mir erzählt hat, aber Romulus der Schöne und meine Wenigkeit haben einen Ort und eine Etappe unseres Lebens geteilt, an die keiner von uns gern zurückdenkt. Das ist viele Jahre her – Jahre, die bei Ihnen keine Spuren hinterlassen haben, wenn ich so unverschämt sein darf.»
Sie schaute mich scharf an, mit denselben Augen wie damals. Was ich sagte, stimmte: Zwar waren ihre Formen runder geworden und hatten sich vielleicht etwas geweitet, das Gesicht hatte seine straffe Glätte verloren, auf ihren vollen Lippen war eine leichte Verzerrung zu erkennen, und unverkennbar färbte sie die Haare. Doch wenn ich einen Schemel und einen Nachttisch zur Hand gehabt hätte, ich hätte nicht einen Augenblick gezögert, die wollüstige Akrobatik von damals zu wiederholen.
«Falls Sie gekommen sind, um meinen Mann zu besuchen», sagte sie, ein wenig alarmiert durch mein Verhalten, denn mein Gesicht hatte mittlerweile die Farbe von Karmesinrot angenommen, und der Harndrang zwang mich zu regelrechten Massaitänzen, «er ist nicht da.»
«Macht nichts, ich kann warten.»
«Romulus kommt immer sehr spät», entgegnete sie sehr rasch. «Oft hält ihn die Arbeit bis tief in die Nacht hinein auf.»
«Oh, Romulus war schon immer ein Ausbund an Fleiß!», rief ich.
Einen Augenblick herrschte Schweigen, bis die Waschmaschine frenetisch zu schleudern begann. Im selben Moment erschien die Frau von vorher mit einem Besen in der Hand. Es sah nicht gut aus.
«Natürlich, wenn es nicht heute sein kann, dann eben ein andermal.» Ich versuchte, meine Hüpfer als Verneigungen aussehen zu lassen. «Ich will Sie nicht weiter stören. Aber bitte richten Sie Ihrem Mann doch aus, wenn Sie ihn sehen, ich hätte bereits die Information, um die er mich neulich gebeten hat. Sagen Sie ihm, er soll nichts unternehmen, bevor er mit mir gesprochen hat. Ich gebe Ihnen meine Handynummer, falls Sie so nett sein wollen, sie aufzuschreiben.»
Lavinia Torrada warf mir einen argwöhnischen Blick zu. Dann machte sie eine Kopfbewegung in Richtung der Frau mit dem Besen. Diese ging durch den einen Gang davon und kam mit einem Block und einem Kugelschreiber zurück, die sie gegen den Besen eingetauscht hatte. Wie als Friedenszeichen verendete das Röcheln der Waschmaschine. Ich zog den Zettel aus der Tasche und diktierte Quesitos Telefonnummer, sah zu, wie sie sie aufschrieb, wiederholte meine affektierte Verbeugung, schlug unsanft den Kopf am Zählerschränkchen an, öffnete die Tür und verzog mich.
Um meinen verwirrten Geist zu beruhigen, rannte ich das Treppenhaus hinunter bis in den zweiten Stock, wo ich auf die Fußmatte urinierte. Dann ging ich bis ins Erdgeschoss und ganz ruhig von dannen, falls man mich vom Fenster aus beobachtete. Nachdem ich um die Ecke gebogen war, suchte ich eine Telefonzelle und rief Quesito an.
«Haben Sie das Rätsel gelöst?», fragte sie, kaum hörte sie meine Stimme.
«Sei nicht albern. Ich habe gerade Romulus’ Frau einen Besuch abgestattet. Er ist nicht zu Hause und wird auch nicht erwartet. Bevor ich wieder gegangen bin, habe ich ihr eine plumpe Falle gestellt. Ich glaube zwar nicht, dass sie anbeißt, aber jedenfalls rufe ich dich deswegen an. Ich habe ihr deine Telefonnummer gegeben. Wenn jemand anruft und nach mir fragt, dann sagst du, du seist eine Angestellte des Damensalons. Nein, besser Lehrling, nicht, dass du mir noch über die Fachterminologie stolperst. Nimm die Mitteilung entgegen, und stell keine Fragen. Fragen erwecken Argwohn. Lass den anderen reden, und sag selbst irgendwas Belangloses, was nichts mit unserem Fall zu tun hat. Manchmal kommt der andere ebenfalls auf den Geschmack, wenn man viel spricht. Schreib alles auf, was man dir sagt, ohne ein einziges Komma auszulassen. Ich
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