Der Friseur und die Kanzlerin
dann ins Dicke Rindviech . Aus dem Radio dröhnte Werbung. Das war das Lustigste im Lokal, das im Übrigen reinlich aussah und nur unterdurchschnittlich verqualmt war. Hinter der Theke stand ein Kellner, möglicherweise der Namenspate des Lokals, jedenfalls seiner Körperfülle und dem Gesichtsausdruck nach zu beurteilen. An der Theke ließen zwei Männer, ebenfalls fettleibig, je einen Schwall Schweiß auf ihren Teller Fleischklößchen niedergehen. Gern hätte ich es ihnen gleichgetan, aber das Menü kostete sechs Euro, und die hatte ich nicht. Ich wandte mich an den Kellner:
«Entschuldigen Sie die Störung, aber vielleicht könnten Sie oder» – zu den beiden Gästen – «Sie mir helfen. Heute Vormittag ist einige Minuten vor halb elf mein Lieferwagen, gesteuert von meiner Person, leicht mit einem roten Peugeot 206 mit der Nummer Barcelona 6952 kollidiert. In diesem Moment konnte ich nicht anhalten, aber jetzt, da meine Geschäfte erledigt sind und ich keine weiteren Verpflichtungen mehr habe, möchte ich mich mit dem Eigentümer des beschädigten Wagens in Verbindung setzen, um meiner Verantwortung nachzukommen. Sie kennen ihn nicht vielleicht zufällig?»
Die an alle drei gerichtete Frage löste eine kurze Debatte aus, aus der sich ergab, dass der Wagenbesitzer Stammgast des Lokals war, wo er jeweils einen Cortado trank.
«Ich muss nämlich», sagte ich nach diesen Enthüllungen, «die Versicherungsgesellschaft benachrichtigen, damit man sehen kann, ob sich der Schaden reparieren lässt oder ob man ihm einen neuen Wagen geben muss, eine Limousine mit Vierradantrieb und elektrischem Fensterheber. Nichts von alledem ist möglich, wenn wir uns nicht miteinander in Verbindung setzen. Wären Sie wohl so freundlich, ihm ans Herz zu legen, er möge mich unter dieser Handynummer anrufen?»
Ich schrieb Quesitos Nummer auf eine Papierserviette und legte sie auf die Theke. Ich verließ das Lokal und schritt am Dandy Morgan vorbei, ohne ihn auch nur anzublicken, falls mich die Dickwänste beobachteten, bestieg den Bus und stand eine halbe Stunde später im Damensalon. Unterwegs kaufte ich mir ein Sandwich mit Sardinen in Pökelbrühe (das billigste), um es an meiner Arbeitsstätte zu vertilgen. Im Geist schon die Verköstigung vorwegnehmend, wäre ich beinahe in Ohnmacht gefallen, als ich eine menschliche Gestalt vom Sessel aufstehen sah, sowie ich die Ladentür öffnete.
«Tschuldigung! Tschuldigung!», rief Quesito. «Ich wollte Sie nicht erschrecken. Da Sie nicht da waren, habe ich gedacht, ich warte lieber drinnen auf Sie statt draußen in der glühenden Sonne.»
«War die Tür denn offen?»
«Nein, aber Romulus hat mir beigebracht, wie man Schlösser aufbricht. Ich habe es ganz vorsichtig gemacht, um es nicht zu beschädigen. Verströmen Sie diesen Sardinengeruch?»
«Das geht dich einen feuchten Staub an», antwortete ich, «und befummle nicht die ganzen Sachen hier, da gibt es empfindliche und gefährliche Instrumente», fügte ich hinzu, als ich sie zerstreut mit einem Kamm spielen sah.
«Tschuldigung, Tschuldigung», wiederholte sie. «Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, dass man vor einer Weile auf dem Handy angerufen und nach Ihnen gefragt hat.»
«Wer?»
«Hat die Stimme nicht gesagt.»
«Und du hast nicht gefragt?»
«Ist mir nicht in den Sinn gekommen.»
«War es ein Mann oder eine Frau?»
«Da drauf habe ich nicht geachtet.»
«Und was hat die Person gesagt?»
«Weiß ich nicht mehr.»
«Um Himmels willen, Quesito, so kommen wir nicht weiter. Du musst besser aufpassen.»
«Tschuldigung, Tschuldigung. Es wird nicht wieder vorkommen.» Sie machte ein weinerliches Gesicht, das ich ihr mit einer energischen Handbewegung austrieb.
«Wir dürfen keine Zeit mit Jammern verlieren. Gehen wir zum Praktischen über. Hast du Geld?»
«Drei Euro.»
«Gib sie her.»
«Sie sind für ein Magnum Mandel.»
«Das gibt es jetzt nicht. Ich habe subalternes Personal unter Vertrag genommen, das unverzüglich entlohnt werden muss. Bitte deine Mutter um Geld.»
«O nein. Nein, das geht nicht. Meine Mutter weiß nichts von dieser Geschichte. Sie würde fuchsteufelswild, wenn sie es erführe. Erzählen Sie ihr nichts. Bitte, bitte.»
«Wie soll ich ihr denn etwas erzählen, wenn ich sie weder kenne noch weiß, wo sie zu finden ist? Aber du musst unbedingt ein wenig Geld auftreiben. Bitte sie darum, ohne ihr zu sagen, wofür es ist. Für Kleider oder fürs Kino. Lügen sind nie zu entschuldigen, aber
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