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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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manchmal sind sie ein bisschen weniger nicht zu entschuldigen, beispielsweise jetzt.»
    Etwas gefasster ging sie, nachdem sie ihre Tollpatschigkeit vergessen und mir versprochen hatte wiederzukommen, wenn es etwas Neues gebe, und irgendwie Geld aufzutreiben. Da ich ihr in dieser Hinsicht nicht viel zutraute, dachte ich darüber nach, wie ich zu einigen Euro kommen könnte, wenigstens um den Dandy Morgan zu bezahlen, ganz zu schweigen von anderen möglichen Ausgaben, meinen eigenen Unterhalt eingeschlossen. Diese Überlegungen brachten mich wieder auf das Sardinensandwich, und ich wollte es eben auspacken, als unangemeldet jemand den Salon betrat. Im Gegenlicht erkannte ich die Gestalt nicht und wusste erst, wer es war, als ich die honigsüße Stimme hörte.
    «Verzeihen Sie die Störung. Ich bin Lin Fuma, der Geschäftsführer des Warenhauses La Bamba. Ich bin gekommen, um Sie um einen kleinen Gefallen zu bitten. Ich würde es nicht tun, wenn mich die Umstände nicht dazu zwängen, aber in diesen Tagen kann ich mich weder an Verwandte noch Bekannte wenden, und da wir Nachbarn sind …»
    Es war das erste Mal, dass wir eine mündliche Beziehung unterhielten, und seine Sprachbeherrschung erstaunte mich. Nicht einmal auf diesem Gebiet war ich im Vorteil. Vorsichtig fragte ich, womit ich dienen könne.
    «Eine Lappalie», antwortete er so natürlich, als wären wir alte Freunde. «Ich muss meinen Sohn abholen. Ich habe ihn in einem Schwimmkurs angemeldet. So vertreibt er sich die Zeit, und wir müssen uns nicht den ganzen Tag um ihn kümmern, wenn er keine Schule hat. Bis letzte Woche war er in der Ferienkolonie. In Valldoreix. Aber jetzt ist er zurück, und ihn bei Laune zu halten und uns gleichzeitig um den Laden kümmern, das ist echt ein Problem.»
    Er machte eine Pause, und ich sagte nichts, um nicht eine unpassende Kameraderie zu fördern. Doch er brauchte keinen Stimulus, um weiterzufahren.
    «Normalerweise geht meine Frau mit ihm zum Schwimmbad, und sie holt ihn auch wieder ab, aber heute ist sie zum Junggesellinnenabschied ihrer Cousine eingeladen. Miau. Kurzum, es ist meine Sache, den Jungen zu holen, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie während meiner Abwesenheit einen Blick auf den Laden werfen könnten. Es wird höchstens zehn Minuten dauern. Aber ich mag nicht schließen, und im Laden gibt es so vieles zu stehlen … Hier dagegen …»
    «In Ordnung», sagte ich knapp; dann fasste ich mir ein Herz und fügte lächelnd hinzu: «Ich werde sehr gern tun, worum Sie mich bitten. Wir Nachbarn sind dazu da, uns in schwierigen Lagen zu helfen.»
    «Danke, Herr Kollege, ganz Ihrer Meinung.»
    Ich lehnte die Salontür an, und wir überquerten die Straße, verabschiedeten uns feierlich vor dem Warenhauseingang, er ging beschwingten Schrittes davon und ich hinein, teils, um vor der Sonne Zuflucht zu suchen, teils, um nicht von anderen Händlern im Viertel gesehen und als Kollaborateur bezeichnet zu werden, teils aus Neugier. Da mich Läden nicht interessieren, wenn ich nicht kaufen kann, was sie verkaufen, und da meine Vermögensverhältnisse dieses Interesse praktisch auf null reduzieren, hatte ich noch nie ein Geschäft dieser Art gesehen. Schon ein flüchtiger Blick machte mich sprachlos. Da gab es alles, was das Schild auf der Fassade verhieß, und vieles mehr, selbst eine vielfältige Darstellung sämtlicher bildender Künste, sowie tausend andere Artikel, die mein aus der Übung geratenes Hirn und mein matter Geist nicht zu registrieren vermochten. Benommen schlängelte ich mich durch die Gänge, als mir ganz hinten im Halbdunkel ein seltsamer, scheinbar ausrangierter Gegenstand auffiel. Ich betrachtete ihn aus der Nähe und erkannte, dass es sich um einen mittelgroßen Hampelmann handelte, der so komisch aussah, dass ich trotz meiner Mutlosigkeit schallend lachen musste. Und danach einen Schreckensschrei ausstoßen, als ich den Hampelmann unter tiefen Verbeugungen auf mich zukommen sah.
    «Entschuldigen Sie erschrecken», hörte ich ihn mit brüchiger, zittriger Stimme sagen. «Es war nicht meine Absicht, Überraschung zu bereiten. Ich bin bescheidener Vorfahr von Señor Lin, Geschäftsführer dieses ehrwürdigen Lokals. Sie kennen mich nicht, aber ich Sie. Sie sind ehrwürdiger Inhaber von großem Damensalon auf Gehweg gegenüber. Eines Tages komme ich Pferdeschwanz schneiden und kämmen.»
    «Sehr angenehm», sagte ich, nachdem ich mich von dem Schrecken erholt hatte. «Ich habe nicht erwartet, jemanden

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