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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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sagte:
    «Entschuldigen Sie Störung. Ich habe unvernünftigen Spaziergang in greller Sonne gemacht und bin übel geworden. Um nicht Sonnenstich zu bekommen, habe ich beschlossen, in großem Damensalon Zuflucht zu suchen. Ich wusste nicht, dass Sie ehrwürdige Kundin haben.» Er verneigte sich mühsam vor der Unterinspektorin und fuhr an sie gewandt fort: «Elegante Jacke. Schöne Physiognomie. Große Melonen. Ich geh schon.»
    «Nicht nötig», sagte die Unterinspektorin. «Wer Leine zieht, das bin ich.»
    Sie schlüpfte in die Jacke, schaute sich noch einmal im Spiegel an, lächelte sich selbst zu und ging zur Tür, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Als sie am Alten vorbeikam, deutete sie einen Fußtritt an und sagte scherzend:
    «Kung Fu, Opachen?»
    «Nein, Señora. Kung Fu in Filmen. In meinem Volk haben wir Steine gehoben, wie in Baskenland.»
    Nachdem sie gegangen war, bot ich Großvater Lin einen Stuhl und ein Glas Wasser an.
    «Machen Sie sich keine Mühe», sagte er. «Sonnenstich ist Lüge. Ich war vor Ladentür und sah Frau in großen Damensalon reingehen. Da sie so lange nicht rauskam, bin ich gekommen, um zu helfen. Mit Polizei weiß man nie. Was wollte sie denn?»
    «Informationen. Nichts, was mit mir zu tun hätte. Sie wird nicht wiederkommen. Aber ich danke Ihnen für die gute Absicht. Wie haben Sie erraten, dass sie von der Polizei ist?»
    «Überall gleiche Visage. Trauen Sie Polizei nicht. Verbergen immer irgendwas. Nie lassen sie locker. Mögen Sie östliche Küche? Schwiegertochter macht gerade kantonesisches Hähnchen. Zum Fingerlecken. Es wäre Ehre, wenn Sie unseren bescheidenen Tisch mit uns teilen wollten. Pünktlich halb drei. Tschau.»
    Er ging auf so leisen Sohlen davon, wie er gekommen war, und ich dachte über das Vorgefallene nach. Mit Hilfe der Brille las ich die Visitenkarte der Unterinspektorin
    UNTERINSPEKTORIN VICTORIA ARROZALES
    SONDERDIENSTE DER STAATSSICHERHEIT
    AMT FÜR TERRORISMUS UND ATTENTATE
    und eine Telefonnummer. Dann studierte ich das Foto: Die Qualität war nicht besonders, aber man erkannte deutlich sein grobes Gesicht, seine dunkle Haut, sein krauses Haar und insgesamt die Züge eines Ausländers, der allerdings nicht gerade zu denen gehörte, die sich im Touristenbus durch die Stadt gondeln lassen. Natürlich lag etwas sehr Merkwürdiges in alledem. Nach dem Spezialgebiet der Unterinspektorin zu urteilen, ging es um etwas, was nicht das Geringste mit meiner Welt und meinen Erfahrungen zu tun hatte, nicht nur den heutigen, sondern auch den vergangenen. Warum also wurde nach so vielen Jahren, statt dass man mich zu den kleinen, für ein Viertel wie dieses typischen Delikten und den Taschendieben und Banden auf Abwege geratener Jugendlicher befragte, zu denen ich, nebenbei gesagt, keinerlei Kontakt hatte, da es keinem von ihnen in den Sinn kam, sich in meinem Geschäft die Haare schneiden zu lassen, warum also wurde nun dringend meine Mitarbeit im Zusammenhang mit nichts Geringerem als einem mutmaßlichen Terroristen verlangt. Das alles stürzte mich in Verwirrung, eingeschlossen die Unsicherheit, ob ich am Ende des vorangehenden Satzes ein Fragezeichen zu setzen habe oder nicht. Zum Glück verstrich über diesen Mutmaßungen die Zeit, ohne dass ich es merkte, und ich war noch immer darein versunken oder vielleicht auch eingeschlafen, als mich die Stimme Quesitos, die gekommen war, um über ihre vormittäglichen Ermittlungen Bericht zu erstatten, in die Wirklichkeit zurückholte.
    Meinen Anweisungen gemäß hatte sie die bewusste Adresse in der Calle Calabria aufgesucht, ein Hochhaus, in dem ein Yoga- und Meditationszentrum seinen Sitz hatte, wie ein Schild am Hauseingang verkündet:
    YOGAZENTRUM SWAMI PANDIT
SHVIMIMSHAUMBAD
    Das Schild gab keine Auskunft über die hier ausgeübten Aktivitäten. Nachdem sie das zur Kenntnis genommen hatte und keine Pförtnerin sah, die sie hätte befragen können, hatte Quesito gegenüber dem Haus Stellung bezogen. Darein hatte sie den ganzen Vormittag investiert, außer dem kurzen Augenblick, in dem sie ein Magnum kaufen gegangen war, das sie auf ihrem Beobachtungsposten genossen hatte. So viel Zeit und so viel Eifer hatten ein sehr mageres Ergebnis gezeitigt, denn angesichts des Monats und der Temperatur waren wenig Leute hineingegangen und herausgekommen, da alle Welt Tätigkeiten jeder Art auf eine bekömmlichere Jahreszeit verschob, und die wenigen, die hineingegangen oder herausgekommen waren oder sowohl hineingegangen wie

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