Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza

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kamen meine Nachforschungen in keiner Richtung vom Fleck.
    Es dauerte noch eine Weile bis Ladenschluss, aber ich war außerstande, mich zu beruhigen. Ich zog mich an, ging hinaus und schloss ab, nicht ohne die Tafel Sommeröffnungszeiten – auf Voranmeldung werden Ausnahmen gemacht an die Tür zu hängen.
    Ich fand den Juli auf seinem Posten. Als er mich entdeckte, flüsterte er mit weiterhin starrem Blick:
    «Dreckskerl. Du hast mich beschissen. Hier kommen nicht einmal die Seelen aus dem Fegefeuer vorbei.»
    «Die werden schon kommen. Aller Anfang ist schwer. Darum bin ich ja gekommen. Du kannst für heute aufhören. Ist das derselbe Euro wie am Vormittag?»
    «Ja, er ist am Teller festgeschweißt. In diesem Viertel rechtschaffener Menschen ist es nicht nötig, aber auf den Ramblas … Du kannst es dir ja vorstellen. Kann ich wirklich aufhören?»
    «Ja. Ich gebe dir die zwei Euro trotzdem. Und wenn du mitkommst, holen wir den Dandy Morgan ab und gehen alle zusammen essen. Ich lade euch ein.»
    «Und diese Großzügigkeit?»
    «Kriegsrat. Du brauchst dich nicht umzuziehen. Wir müssen uns beeilen, und in dieser Aufmachung siehst du bestens aus. Unterwegs erzählst du mir, was du gesehen hast.»
    «Aus dieser Position heraus kann man wenig unternehmen. Außerdem sind wir Albinos tagsüber kurzsichtig. In der Nacht dagegen sehen wir wie die Kaninchen. Die Katzen und die Kaninchen. Die Hasen nicht. Jedenfalls befindet sich das Yogazentrum im dritten Stock. Das habe ich daraus geschlossen, dass ich den Swami mehrmals aus dem Fenster habe schauen sehen. Wegen der Hitze vermutlich. Aber sowie er am Fenster war, schaute er zum Himmel hinauf und hielt die Hände aneinander, als würde er ganz langsam Beifall klatschen. Ihn nur zu sehen hat ausgereicht, um mich erbaut und im Frieden mit mir selbst und dem Kosmos zu fühlen.»
    «Woher weißt du, dass es der Swami war?»
    «Das habe ich gleich erkannt: ein großer, hagerer Mensch mit runder Brille, weißem Bart bis zur Hüfte, weißer Tunika. Entweder war er der Swami oder Valle-Inclán nach der Dusche.»
    Dank seiner afrikanischen Herkunft machte die Hitze dem Juli nichts aus, nicht einmal im Flanellanzug mit Zelluloidkragen. Der Dandy Morgan hingegen hatte im Laufe des Tages mehrere Ohnmachten erlitten. Stoisch hatte er sich wieder aufgerappelt und sie in seine Figur integriert mit dem Ausruf: Ich sterbe, um Portugals Ehre zu verteidigen! Trotzdem war er schwach und quengelig. Nicht einmal die Aussicht auf den Schmaus stimmte ihn um.
    Das Restaurant, ganz in der Nähe des Paralelo gelegen und vor der Neugier der Passanten durch große Abfallcontainer geschützt, hieß Hund zu verkaufen , und der Ursprung dieses in den Annalen des Gastgewerbes wenig gebräuchlichen Namens war folgender: Als der derzeitige Wirt, Señor Armengol, das Lokal mietete, fand er an der Tür ein Schild, sicherlich noch vom Vormieter, auf dem die obige Mitteilung stand, und er beschloss, es hängen zu lassen und sein Restaurant unter diesem Namen zu eröffnen, um sich das Nachdenken und die Kosten für ein Schild zu sparen. Dieses und weitere Beispiele von Nachlässigkeit halfen mit, das Restaurant vor wohlwollenden Kritiken, Empfehlungen und Moden zu bewahren, und machten es zu einem ruhigen Ort mit günstigen Preisen, wo man seinen Tisch nicht zum Voraus reservieren musste, da immer alle frei waren.
    Jener Abend war keine Ausnahme, und als wir eintraten, waren keine anderen Gäste da, ebenso wenig, als wir wieder gingen, und Señor Armengol begrüßte uns ehrerbietig, ohne sich darüber erstaunt zu zeigen, dass ich in Gesellschaft eines Wissenschaftlers aus dem 19. Jahrhundert und einer torkelnden Königin mit Schnauzbart erschien. Wir setzten uns, und er zeigte uns die Tageskarte:
    Eine Karotte
    - o -
    Nichts
    - o -
    Eine Banane (mind. zwei Pers.)
    Unter lautem Protest und für einen Zuschlag von 1,50 Euro pro Nase ging er zu einem McDonald’s und kam mit zwei Crispy Cheese Sticks und einem Würfelbecher Soße zurück. Nach dem mittäglichen Bankett hatte ich keinen Hunger mehr, aber ich wollte mich bei den Burschen von meiner besten Seite zeigen.
    Im Laufe der Mahlzeit verfluchte der Dandy Morgan das Klima, die Arbeitsbedingungen und, nachdem sein ungewöhnliches Auftauchen im Viertel den Reiz des Neuen verloren hatte, den freien Fall seiner Einkünfte und berichtete anschließend über die Bewegungen, die er sowohl im Haus als auch im Dicken Rindviech beobachtet hatte. Das Protokoll war so