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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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Lin. «Erlauben Sie mir trotzdem, Ihnen einen Schirm zu schenken. Der Hut wird Sie vor den Infrarotstrahlen schützen, aber die Ultraviolettstrahlen sind beschissen und dringen durch alles hindurch.»
    Er ging in den Laden und kam mit einem ziemlich großen Schirm wieder heraus. Griff und Stäbe waren aus Plastik, aber das Tuch bestand aus zartem kanariengelb gefärbtem Reispapier.
    «Ich würde Ihnen auch eine Sonnencreme mit Schutzfaktor 50 geben, aber die, die wir hier verkaufen, obwohl allererste Qualität, spannt die Gesichtshaut und lässt gleichzeitig die Gesichtsmuskeln erschlaffen. Wenn man sie benutzt, bekommt man ein wenig vorteilhaftes Krötengesicht.»
    Ein Luxusbus, dank seinem Kühlungssystem ein echter Iglu auf Rädern und mit allem Komfort für den Reisenden ausgestattet, setzte mich in weniger als drei Stunden an meinem Ziel ab.
    Ich stieg in einem Stadtzentrum aus, durch dessen enge Straßen Lastwagen und Motorräder fuhren. An den Fassaden der hohen Häuser mit ihren gewagten Designs war zu lesen:
    HOTEL SONNE UND MEER
    RESIDENZ MEER UND SONNE
    APARTMENTS SONNEMEER
    und so weiter und so fort. Orientierungslos, wie ich war, beschloss ich, die Hoteladresse bei einem der vielen Passanten zu erfragen, die die Gehsteige füllten: Sonnengebräunt, fröhlich, hocherfreut, ihre Fettleibigkeit oder ihre Haut zur Schau zu stellen, kamen und gingen sie in lärmigen Rudeln, einige beladen mit von Lebensmitteln überquellenden Taschen und Einkaufskörben, andere mit Tüchern, Sonnenschirmen, Schwimmringen, tragbaren Kühlschränken, Bällen, Eimern, Kindern und Hunden, dritte, noch Opfer eines monumentalen Rausches, zwischen den übrigen einhertorkelnd. Von Hinweis zu Hinweis gelangte ich an den Strand. Dort spannte ich Señor Lins Schirm auf und stapfte über den Sand im Bemühen, auf niemanden zu treten. Es war Mittagszeit und der Sand so heiß, dass die Socken in Brand zu geraten drohten. Um das zu verhindern, hatten die anderen Strümpfe und übrige Kleidungsstücke ausgezogen. Die schmeichelnde Brise trug Staubwirbel, Frittendünste und die schwarzen Abgase der vor dem Strand verankerten Sportboote heran. Deren Motorenlärm erstickte das Kindergeschrei und die Erwachsenenkeifereien, nicht jedoch die schrillen Kofferradios und die Lautsprecher der Imbissbuden. Die Möwen warfen ihr barsches Kreischen ins unendliche Blau des Firmaments und ihre zersetzenden Exkremente auf die gespreiztbeinigen Körper im Sand und die Köpfe derer, die sich zwecks Linderung wässerten. Ach, dachte ich, wie gern würfe ich die Kleider (außer dem Hut) weit von mir, stürzte ich mich ins warme, nicht besonders saubere Nass und durchpflügte ich, den Hintern vom Schirm geschützt, mit mächtigen Zügen das sanfte Hin und Her des Wellenganges. Doch ich erlag der Versuchung nicht, da ich pflichtbewusst, gesittet und Nichtschwimmer bin.
    Das Hotel befand sich am einen Ende des Strandes, war ein zinnenbesetzter Bau mit einem dicken roten Backsteinturm, auf dem die Fahne der Ausbeuter- und Eigentümerfirma der Festung wehte, und stand in einem weiten, von einer hohen Mauer umgebenen Park. Von außen waren nur die Zimmer der oberen Stockwerke zu sehen, jedes mit einer Terrasse und einer grün-weiß gestreiften Markise bestückt. Auf dem Prachtgatter, durch das man in den Park gelangte, prangte der Name des Hotels:
    HOTEL EINFALTSPINSEL
    GEGRÜNDET AM 2. APRIL 1939
    NUR FÜR REICHE
    Ich gratulierte mir zu meiner angemessenen Aufmachung. Leider zogen der Geruch der Kleider (und mein eigener) sowie die auffällige Farbe des Schirms einen Schwarm schwarze, von einer Drohnenwolke begleitete Bienen an. Als ich in diesem Aufzug am riesigen Schwimmbecken vorbeikam, musterten mich die Badenden oder Sonnenbadenden unverhohlen, unbekleidet und unverschämt. Beim Eingang des Hauptgebäudes stoppte mich ein Pförtner in weißer Uniformjacke mit Tressen und Admiralsmütze. Aus Diskretionsgründen schaute ich nicht, ob er eine Hose trug.
    «Hallo, mein Junge», sagte ich hochmütig, ehe er das Losungswort von mir verlangen konnte, «der Direktor erwartet mich. Ich komme wegen des Films.»
    Angesichts meines bestimmten Auftretens verflog das seine, er zögerte und sagte schließlich:
    «Der Herr Direktor ist gerade nicht da. Ich schau mal, ob der stellvertretende Direktor Sie empfangen kann. Seien Sie so freundlich und warten Sie hier.»
    «Ich werde drinnen warten und bei dieser Gelegenheit pinkeln gehen. Sag mir, wo die Toiletten sind, oder hol

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