Der Friseur und die Kanzlerin
nachdem sich jemand gemeldet hatte:
«Jesusero soll sofort in mein Büro kommen. Und schick auch gleich den Sicherheitsdienst her.»
Letztere Anordnung verhieß nichts Gutes, aber das Weite zu suchen wäre noch schlimmer gewesen. Eine Weile schwiegen wir, er starrte mich an, und ich gab vor, interessiert den Manövern des Segelboots zu folgen. Um das Schweigen zu brechen, fragte ich:
«Gibt es oft Schiffbruch? In der Hochsaison, meine ich.»
«Was außerhalb des Hotels geschieht, geht mich nichts an», antwortete er knapp.
Diesem kurzen Dialog folgte erneutes Schweigen, so angespannt wie das vorherige. Schließlich wurde leise angeklopft, die Tür ging still und langsam auf, und ein kleiner, dunkelhäutiger Kellner mit einem Schnurrbart, so groß wie meiner, aber sicherlich echt, trat ein, verneigte sich unterwürfig und murmelte mit ausgeprägtem Akzent:
«Sie wollten mich sprechen, Don Rebollo?»
«Komm rein, mach die Tür zu, nenn mich nicht Don Rebollo und schau dir dieses Foto genau an», sagte der stellvertretende Direktor unfreundlich. «Erkennst du in dem Abgelichteten einen Hotelgast?»
«Ja, Chef», antwortete Jesusero, nachdem er einen Blick auf das Foto geworfen hatte. «Er ist vor etwa zehn Tagen hier abgestiegen, vielleicht vor zwei Wöchelchen, die Zeit verfliegt ja nur so an einem derart lieblichen Ort. Er hat schöne Trinkgelder gegeben. Er ist zu niemandem in Beziehung getreten.» Er machte eine kabbalistische Geste. «Weder vorne- noch hintenrum, Sie verstehen schon, Chef. Oft hat er sich einen Imbiss beziehungsweise Happen aufs Zimmer bringen lassen.»
«Hast du ihn einmal mit dem Hoteldirektor oder sonst einem Angestellten über einen Film sprechen sehen oder hören?»
«Über einen konkreten Film, Chef? Wie beispielsweise Doktor Schiwago ?»
«Nein, über die Dreharbeiten zu einem Film. Im Hotel.»
«Ach, Chef, das wäre wunderbar! Ich bin ein großer Filmfan, mit Verlaub. Aber ob er über die Dreharbeiten sprach, wüsste ich nicht zu sagen. Er war sehr zurückhaltend. Nur einmal sah ich ihn nachmittags mit einigen Leuten zusammen. Keine Hotelgäste, sondern Unbekannte. Die waren gekommen, um mit dem Herrn auf dem Foto zu reden. Möglicherweise über Doktor Schiwago oder vielleicht Business. Sie saßen in der Bar und tranken Cocktails. Ich hatte an diesem Tag Dienst. Mit dem Besen Brosamen auf dem Boden zusammenkehren, Chef. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, Chef.»
Während der unterwürfige Kellner seinen knappen Bericht von sich gab, waren zwei finster aussehende Männer ins Büro getreten. Einer war groß und kräftig und trug einen tabakfarbenen Drillichanzug, ein blaues Hemd und eine grellrosa Krawatte. Die Beule im Jackett verriet die Pistole. Der andere war klein, fett, hatte ein Schweinchen-Schlau-Gesicht und trug Guayabera, Bermudas und Flipflops, sicherlich, um sich unauffällig unter die Gäste mischen zu können. Beide waren sehr braun und hatten ein selbstgefälliges Casanova-Lächeln aufgesetzt.
«Diese Herren», sagte der stellvertretende Direktor, nachdem die beiden Männer die Tür geschlossen hatten und der Kellner mit seinem Bericht fertig war, «gehören zum Sicherheitsdienst des Hotels. Kommen Sie, bleiben Sie nicht bei der Tür stehen. Treten Sie näher, und sehen Sie sich dieses Foto genau an. Offenbar handelt es sich um einen Hotelgast von neulich. Erkennen Sie ihn?»
Die beiden Männer reichten sich gegenseitig das Foto, und nachdem sie das zweimal getan und sich mit Blicken verständigt und je und je einvernehmliche Grimassen geschnitten hatten, sagten sie, sie hätten dieses Gesicht nie gesehen oder sie hätten es vielleicht gesehen, aber nicht beachtet. Der stellvertretende Direktor nahm das Foto wieder an sich und ließ seiner Empörung freien Lauf:
«Hanswurste!», rief er. «Sie sind zwei Hanswurste oder Hanswürste, ich weiß nicht, wie der Plural lautet, aber das ändert nichts an meiner Meinung, zwei inkompetente Hanswurste. Das sind Sie. Denn der Mann auf dem Foto, dessen Physiognomie Sie nicht beachtet haben wollen, ist ein Terrorist! Haben Sie gedacht, ich würde ihn nicht erkennen, Herr Hollywoodproduzent?»
Es entstand eine Pause, die vom Kellner mit den Worten unterbrochen wurde:
«Mich brauchen Sie nicht anzuschauen, Chef. Ich bin ein unbedeutender Indio, der eben erst aus Cochabamba gekommen ist und keine Ahnung hat.»
Der stellvertretende Direktor schmetterte ihn mit seinem Blick nieder.
«Du bist ein ganz Schlauer, den ich
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