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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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einen Scheuerlappen.»
    Nach diesen Worten trat ich ein, klappte den Schirm zu und nahm den Hut ab. In der Eingangshalle erfreute man sich paradiesischer Frische. Der Portier richtete den Zeigefinger auf die Toiletten und ging. Im WC urinierte ich, wusch mir das Gesicht und richtete den Schnurrbart gerade, der mir hitzebedingt von einer Wange hing. Ich schaute mich im Spiegel an, räusperte mich, ging hinaus und sah mich unvermutet einem Mann in schwarzem Anzug gegenüber, meinem nicht unähnlich, aber aus Seide und maßgeschneidert. Er schaute mich ärgerlich an und zischte:
    «Sind Sie der Mann, der ich weiß nicht was von einem Film daherredet?»
    Ich erwog, einen ausländischen Akzent vorzugeben, mochte dann das Ganze aber nicht unnütz verkomplizieren.
    «Mein Herr», antwortete ich, «ich sage nie ich weiß nicht was. Ich weiß immer, was ich sage. Und ich bin gekommen, um bezüglich des seinerzeit zwischen der Produktionsfirma und den autorisierten Vertretern des Hotels geschlossenen Abkommens Anweisungen zu erteilen. Wenn diese es nicht für angebracht gehalten haben, Sie über das Besprochene zu informieren, ist das nicht mein, sondern Ihr Problem. Können wir an einem angemesseneren Ort weitersprechen?»
    Eher misstrauisch als schnell führte er mich in ein Büro in einer Ecke der Halle. Es war groß und mit wertvollen Möbeln ausgestattet. Im Fensterrahmen sah man das Meer und auf dem Meer ein Segelboot. An der Wand hing prominent ein Bild des spanischen Königspaars. Der stellvertretende Direktor nahm hinter seinem Tisch Platz, und ich tat das Nämliche auf einem davor platzierten Stuhl mit Blick aufs Fenster. Ohne weitere Vorrede sagte ich:
    «Ich stelle mich vor: Jaime Sugrañes, für die Leute in Hollywood einfach Jim. Ich habe mein Kommen nicht angekündigt, damit nichts durchsickert, und den Mercedes habe ich im Dorf gelassen, um einen Spaziergang zu machen. Am Meer ist der Stress erträglicher. Und zudem wollte ich mir mögliche Drehorte ansehen.»
    Der stellvertretende Direktor runzelte die Stirn.
    «Kommen wir direkt zum Hotel», sagte er.
    «Es wurde beschlossen, einige Sequenzen in Ihren prächtigen Räumlichkeiten zu drehen, in der Halle, beim Schwimmbecken, in den Toiletten … Zu vorher vereinbarten Zeiten, um die Damen und Herren Gäste nicht zu belästigen.»
    Der stellvertretende Direktor entrunzelte die Stirn nicht.
    «Es erstaunt mich sehr, dass man mir nichts von einer so wichtigen Angelegenheit erzählt hat. Darf ich fragen, um welche Art Film es sich handelt? Ein Dokumentarfilm vielleicht?»
    «O nein. Es ist … ein Monumentalfilm mit lauter Stars, die alle für einen Oscar nominiert sind. Was den Film selbst betrifft …, so geht es um einen Touristen. Einen Touristen mit höchsten Befugnissen …, im Dienste der Gerechtigkeit und des Qualitätstourismus. Ich weiß nicht, ob Sie sich darunter schon etwas vorstellen können …»
    «Haben Sie den Plot mitgebracht?»
    Ich wusste nicht, wovon er sprach. Tatsächlich hatte ich mir die Strategie nicht sehr genau zurechtgelegt und manövrierte mich nun in Schwierigkeiten. Ich wurde nervös, als ich feststellte, dass ich nicht nur an Geist einbüßte, sondern beim Verlassen der Toilette auch den Hosenstall offengelassen hatte.
    «Entschuldigen Sie meine Nervosität», sagte ich überstürzt. «Wie alle Cracks der siebten Kunst rauche ich ununterbrochen Zigarren. Jetzt haben es mir die Ärzte verboten, und ich habe Beklemmungsanfälle. Ich habe auch den Hosenstall immer offen. Mein Psychoanalytiker sieht da einen gewissen subliminalen Zusammenhang, obwohl auch er ihn von einem Patienten zum nächsten offenlässt. Darf ich urinieren?»
    «Haben Sie das nicht eben getan?»
    «Richtig. Was die Gespräche über den Film betrifft, eigentlicher und einziger Grund meines Hierseins, so kann ich Ihnen mitteilen, dass sie in ebendiesem Hotel stattgefunden haben, vor zwei oder drei Wochen, wozu ein Vertreter der Studios hier abgestiegen ist. Ich werde Ihnen ein Foto zeigen. Vielleicht erinnern Sie sich an sein Gesicht.»
    Nicht ohne Angst reichte ich ihm das Foto, das mir die Unterinspektorin gegeben hatte. Der stellvertretende Direktor betrachtete es eingehend, blickte dann auf, heftete seine kalten Augen auf meine und sagte:
    «In diesem Hotel herrscht ein Kommen und Gehen. Aber wenn dieser Herr hier abgestiegen ist, erinnert sich vielleicht das Personal an ihn. Sie gestatten.»
    Er zog ein Handy aus der Tasche, drückte auf eine Taste und sagte,

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