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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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rausschmeiße, sobald der Vertrag ausgelaufen ist. Und Sie beide, angeblich Sicherheitsleute des Hotels, kommen Sie auch aus Cochabamba?»
    «Nein, Señor Rebollo», sagte der Mann in den Bermudas für beide zusammen, «wir sind Sicherheitler und erfüllen unsere Aufgabe, das heißt, die Sicherheit des Hotels und der Kundschaft zu gewährleisten, solange sie innerhalb der kartographischen Grenzen des Hotels bleibt. Und nun sagen Sie mir: Ist das Hotel in die Luft geflogen, oder hat es irgendeinen Schaden erlitten? Mitnichten. Hat man einen gevierteilten Gast gefunden oder einen mit Verletzungen anderer Art? Ebenso wenig. Damit ist alles gesagt. Und nennen Sie uns ja nicht mehr Hanswürste, sonst kann ich für nichts garantieren.» Dann sagte er zu seinem Kollegen: «Los, komm schon, gehen wir.»
    Der Angesprochene fühlte sich genötigt, ebenfalls seine Stimme zu erheben, und sagte:
    «Okay.»
    Señor Rebollo klatschte die Handfläche auf den Tisch.
    «Kommt nicht in Frage! Sie werden nicht eher gehen, als Sie diese Situation geklärt haben. Erstens haben wir hier einen Bürger, der Filmproduzent sein will und der, ohne seine Identität oder seinen Beruf zu beglaubigen, nach einem international gesuchten Terroristen fragt. Das finden Sie wohl normal?»
    «Ich kann Ihnen alles erklären, Señor Rebollo», sagte ich, da ich den Moment für gekommen hielt, mich stilvoll aus der Affäre zu ziehen. «Ich habe Ihnen mein Dossier nicht gegeben, weil Sie mir dazu keine Zeit gelassen haben. Und ich werde es auch jetzt nicht tun, selbst wenn Sie mich darum bäten, da Sie sich reichlich unhöflich und wenig kooperativ gezeigt haben. Was den angeblichen Terroristen betrifft, so existiert er nur in Ihrer Phantasie. Möglicherweise hatte sich die betreffende Person für ihre Rolle verkleidet, wie das beim Film eben so ist. Aber wenn Sie unbedingt glauben wollen, ein gefährlicher Verbrecher habe unter diesem Dach genächtigt, dann ist es Ihre Pflicht und Schuldigkeit, die Polizei zu rufen. Bis sie da ist, werden diese Herren und ich als Sicherheitsmaßnahme den Alarm in Gang setzen und die sofortige Evakuierung des Hotels anordnen. Im Bemühen natürlich, keine Panik aufkommen zu lassen und dafür zu sorgen, dass die Medien in ihrer Berichterstattung keinen der Gäste oder ihre Begleiter in spärlicher Bekleidung zeigen.»
    Señor Rebollo schloss die Augen, ballte die Fäuste und sagte:
    «In Ordnung. Verlassen Sie alle auf der Stelle dieses Büro.»
    «Widerrufen Sie erst das mit den Hanswürsten», sagte der Mann in den Bermudas, «sonst werden wir, wie der Herr Produzent sagt, Stunk machen.»
    «In Ordnung. Ich nehme es zurück und entschuldige mich bei Ihnen.»
    Wir traten alle vier in die Halle hinaus, wo wir uns auf die Schultern klopften und uns lauthals über Señor Rebollo lustig machten. Die Sicherheitsleute luden mich zu einem Bier ein, aber ich lehnte ab – im Augenblick gab es hier nichts mehr zu tun, und meinen Aufenthalt im Hotel zu verlängern war ein sinnloses Risiko. Ich verabschiedete mich von allen und ging auf den Ausgang zu. Bevor ich ihn erreichte, trat der Kellner zu mir und zupfte mich sanft am Ärmel.
    «Schauen Sie mich nicht an, und antworten Sie nicht», flüsterte er. «Meine Schicht ist um drei zu Ende. Kommen Sie dann wieder, gehen Sie, möglichst ohne gesehen zu werden, zum Kiefernwald hinten im Park, und warten Sie dort auf mich.»
    Ich nickte und ging weiter. Der Strand war jetzt etwas weniger überfüllt, da es Essens- und Siestazeit war. Liebend gern hätte ich die freie Zeit genutzt, um baden zu gehen, wenn ich eine Badehose und einen sicheren Ort gehabt hätte, um die Straßenkleider zu deponieren. Doch es fehlte mir an beidem, und ich mochte nichts riskieren oder auch nur Aufmerksamkeit erregen, falls man mich überwachte. Ebenso gern hätte ich eine Portion Sardinen verschlungen, aber auch darauf musste ich verzichten, denn solche Ausgaben waren in meinem Budget nicht vorgesehen. Also suchte ich unter einer schlanken, freien Pinie einen Schattenkreis und setzte mich hin, um die Zeit zu überbrücken. Meine Phantasie trug mich zum Warenhaus der Familie Lin, wo in diesem Moment ohne meine Anwesenheit der Festschmaus zu Ende gehen musste. Zur Ablenkung begann ich den Autos zuzuschauen, wie sie durch das Gattertor ein- und ausfuhren. Wenn eines dieser Fahrzeuge ein roter Peugeot 206 gewesen wäre, hätte ich die Ausgaben, die Reise, die Hitze, das Warten und den Hunger als gute Investitionen

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