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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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betrachtet, aber keines der Autos entsprach in Marke oder Farbe dem genannten. Eine Bö wehte mir mehrere lose Zeitungsblätter zu. Dem Geruch nach zu urteilen, hatten sie zum Einpacken von Schalentieren gedient, aber eine Weile unterhielt ich mich mit dem Guten und dem Bösen, das auf der Welt geschehen war und wahrscheinlich weiterhin geschehen würde, während ich unter einer Pinie vor mich hin röstete. Es war ebenfalls unterhaltsam, als eine weitere Bö den sorgfältig neben mir deponierten Hut davontrug, so dass ich ihn unter einem Zodiac hervorangeln musste. Der Rest war monoton. Gelegentlich befiel mich die Versuchung, aufzugeben und einfach nach Hause zu fahren. Und zwar nicht aus Langeweile. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass man bei einer Ermittlung wie der jetzigen mit Gewalt oder Kühnheit wenig, mit Beharrungsvermögen aber viel erreicht. Was mich zum Gehen trieb, war die Überzeugung, nichts Nützliches zu tun, weder für mich noch für den Fall, noch für irgendeinen der daran Beteiligten. Im Laufe meines Lebens hatte ich einige Rätsel lösen müssen, immer durch die Umstände dazu gezwungen und vor allem durch die Menschen, wenn sich jene darin befanden. Aber zum Ermittler hatte ich mich nie berufen gefühlt und zum Abenteurer schon gar nicht. Immer hatte ich eine regelmäßige Arbeit ersehnt und gesucht, um ohne Not und Schrecken leben zu können. Doch da war ich nun, in meinem Alter, Blut und Wasser schwitzend für die verschwindend kleine Möglichkeit, eine winzige Information zu bekommen, die es mir zusammen mit anderen ähnlicher Art erlauben würde, einen Schluss zu ziehen, den ich wahrscheinlich lieber nicht gezogen hätte.
    Es nahte die für das Treffen mit Jesusero vereinbarte Stunde. Mit großer Mühe stand ich auf, erstens weil meine Muskeln und Gelenke eingeschlafen waren, und zweitens, weil mir das von dieser Pinie abgesonderte Harz die Kleider fest an den Stamm geleimt hatte und ich nicht bereit war, meinen einzigen Anzug einem Baum zu schenken. Mit vorsichtigen Rucken kam ich frei, doch hinten war der Anzug so klebrig, dass ich bei meinem Eintritt ins Hotelgelände einen ganzen Rattenschwanz von Papieren, Laub, Schmetterlingen und anderen Flugobjekten mitschleifte. Trotzdem ging ich durchs Gatter, ohne aufgehalten oder besonders beachtet zu werden, umrundete das Hotel auf der dem Schwimmbecken entgegengesetzten Seite und flüchtete mich in einen dichten Pinienwald, wobei ich die Berührung mit den perversen Artgenossen des Baums vermied, der meine Ausstattung verunstaltet hatte.
    Es war ein schattiger, dürrer, einsamer Ort. Ich begriff nicht, worin sein Nutzen bestehen konnte, außer die Gefahr eines Waldbrandes wäre einer der Anreize des Hotels gewesen. In Erwartung dieser Möglichkeit bot der Wald keinen anderen Zeitvertreib als den Anblick vieler riesiger Spinnweben und keinen anderen Vorteil als seine Abgeschiedenheit.
    Ich wartete eine Weile. Vom Schwimmbecken her war Kinder- und vom Speisesaal und der Freiluftbar her das Erwachsenengeschrei zu hören. Auch ein hypnotischer Geruch von Grillfleisch erreichte mich. Es war bewundernswert zu sehen, wie diese Potentaten, die, wie ich es eben in einem Zeitungsfetzen gelesen hatte, von der Finanzkrise so hart gepeitscht wurden, den Schein von Verschwendung und Jubel, Trubel, Heiterkeit aufrechterhielten, einzig um an den Börsen keine Mutlosigkeit aufkommen zu lassen. Indem ich Zweige, Stängel, Schösslinge und Schlingpflanzen beiseiteschob, erhielt ich einen schrägen, aber geschützten Teilanblick des Schwimmbeckens. Anmutige, gebräunte Frauen verdorrten oder schlenderten mit eleganter Unverschämtheit in engen Badeanzügen und großen Sonnenbrillen dahin. Alle sprachen lebhaft in ihre Handys. Während ich sie beobachtete, ohne gesehen zu werden, und mich an dem Teil ihrer Anatomie ergötzte, der mich am meisten interessierte, an der Frisur, verlor ich den Zeitbegriff und das Bewusstsein, mich in einer ungewissen, um nicht zu sagen gefährlichen Situation zu befinden, so dass ich das Nahen eines Mannes hinter mir erst bemerkte, als seine Stimme sagte:
    «Hände hoch!»
    Ich tat wie geheißen, während ich bei mir meine Nachlässigkeit und den Mangel an Voraussicht verfluchte. Ich war allein in eine Falle getappt, und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hatte ich dazu auch noch mehrere Stunden unter einer Pinie ausgeharrt. Dummkopf, der ich war, hatte ich niemandem von meiner Reise erzählt, außer Señor Lin, und auch dem nur

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