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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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während sie die Mädchen bespuckten, wurde ich neugierig und ging ins Kino. Ich erinnere mich an das Erlebnis, als wäre es hier und jetzt. Gezeigt wurde Wohin gehst du, Alfons XII ? Ach, mein Freund, was für Schauplätze, was für Königskutschen, was für Hofgeschichten, welche Anmut gab es in Madrid! Später habe ich viele Filme gesehen, aber solange ich lebe, werde ich Vicente Parra nie vergessen …»
    «Ich teile Ihre Vorlieben voll und ganz», sagte ich, um seinen Erinnerungsfluss zu stoppen und zu sehen, ob aus dem Treffen ein Nutzen zu ziehen sei, «aber Sie haben mich sicher nicht herbestellt, um gemeinsam María de las Mercedes zu beweinen.»
    «O nein, verzeihen Sie, dass ich so aus mir rausgegangen bin.» Juan Nepomuceno vergaß die Leidenschaft und kehrte zu seinem unterwürfigen Verhalten zurück. «Sie wollten etwas von dem Gespräch von vor zwei Wochen erfahren. Ich war zugegen, wie ich im Büro des schuftigen Rebollo schon sagte. Und die Identität des Herrn ist mir nicht entgangen. Das hätte noch gefehlt.»
    «Sie haben Alí Aarón Pilila erkannt?», fragte ich überrascht. «Und Sie haben ihn nicht angezeigt?»
    «Nein. Von dem wusste ich nicht, wer er ist. Und selbst wenn ich es gewusst hätte, ich hätte ihn nicht angezeigt. Er hat das Personal gut behandelt, war freigebig, und wenn er so gefährlich ist, wie es heißt, dann hat man ihn besser zum Freund als zum Feind, finden Sie nicht auch? Der, den ich sofort erkannt habe, war Tony Curtis. Er hat sich ein wenig verändert, seit er Trapez gemacht hat, das ist ja ganz normal. Aber ein solches Gesicht vergisst man nicht. Und wenn man weiß, dass der andere ein sehr gesuchter Terrorist ist, passt alles zusammen – Sie werden das Leben von Señor Pilila verfilmen. Mit allen Atten- und sonstigen Untaten, die er begangen hat, wird das ein richtig guter Film. Besser als der vom Leben Alfons’ XII . Und wetten, dass Señor Curtis den CIA -Boss spielt?»
    «Sind Sie gekommen, um mir Klatsch zu erzählen?»
    «O nein. Ich habe Sie heimlich herbestellt, denn während Señor Pilila, Señor Curtis und die Señora, die Señor Curtis begleitet hat, in der Hotelbar beisammensaßen, habe ich ein Foto von ihnen gemacht, ohne dass sie es gemerkt haben. Und ich habe gedacht, wenn Sie an einem Abzug interessiert sind, könnte ich ihn Ihnen für eine bestimmte Gegenleistung überlassen.»
    «Im Budget für einen Film ist Erpressung nicht enthalten.»
    «Ich will kein Geld. Es käme mir zwar zustatten, wie allen, aber ich will kein Geld. Wenn ich plötzlich zu einem Haufen Geld käme, würde ich alles für DVD s ausgeben. Aber ich gehe weiter. In die Zukunft, ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen. Und meine Zukunft ist beim Film. Als Nebendarsteller, wenn möglich. Ich sehe nicht sehr gut aus, aber ich kann den Bösen spielen. Wenn ich auf den letzten Metern Film umgebracht werden soll, spielt es keine Rolle. Oder als Freund dieses Burschen. Ich kann sehr witzig sein, wenn ich es mir vornehme. Zum Singen und Tanzen tauge ich nicht, das weiß ich selbst am besten, aber witzig, doch das bin ich. Und sehr fleißig: In zwei Tagen beherrsche ich meine Rolle, einen Tag länger brauche ich für Katalanisch. Falls das Casting schon vollständig ist, kann ich bei der technischen Crew mitwirken. Bei allen Dreharbeiten tritt ein ganzes Bataillon in Aktion. Im Abspann kommen alle nacheinander, mit Vornamen und Namen. Die Liste läuft eine halbe Stunde durch. Sie interessiert nicht die Bohne, aber sie sind da: verewigt. Auch wenn sie am letzten Schund mitgewirkt haben, wird ihre Arbeit gewürdigt. Und ich will auf dieser Liste stehen, auf der Liste der Auserwählten!»
    Juan Nepomucenos grenzenloser Glaube irritierte mich; Beschummeln gehörte zwar zu meiner Tätigkeit, aber die Naivität dieses Dummkopfs machte mir Gewissensbisse. Ich durfte mich jedoch nicht von Sentimentalitäten mitreißen lassen. Zudem war vielleicht ich der Naive und er ein gewiefter Schwindler.
    «Ich würde Ihnen lieber Geld geben», sagte ich. «Man kann keinen Außenstehenden in der Welt des Films unterbringen. Die Gewerkschaften haben alles unter Kontrolle. Wenn wir machen, was Sie vorschlagen, wird man uns boykottieren. Das geschieht systematisch. Und entsprechend kommen viele Filme auch raus. Fünfzig Euro?»
    «Das Foto ist mehr wert», erwiderte der käufliche Filmfreak. «Von Tony Curtis gibt es Tausende, aber von Señor Curtis mit Señor Pilila ganz wenige.»
    «Mich interessiert weder der

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