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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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eine noch der andere.»
    «Wenn sie Sie nicht interessieren, warum sind Sie dann gekommen? Hören Sie, manchmal werden auch Laiendarsteller unter Vertrag genommen. Pasolini hat das gemacht. Vielleicht ist er darum umgebracht worden, jetzt, wo ich drüber nachdenke.»
    «Okay, ich zahle Ihnen die fünfzig Euro. Lassen Sie mich das Foto sehen.»
    «Das kann ich nicht. Ich habe es mit meinem Handy gemacht. Für einen Papierabzug brauche ich Zeit. Im Dorf gibt es einen Fotoladen. Morgen ist mein freier Tag. Am Vormittag gehe ich hin und lasse einen Abzug machen. Danach hatte ich vor, nach Barcelona runterzufahren und ins Kino zu gehen. Nach der Acht-Uhr-Vorstellung sagen Sie mir, wo, und ich bringe die Ware. Sechzig Euro ist mein letztes Wort.»
    Wir gaben uns die Hand, und ich schrieb ihm die Adresse des Restaurants Hund zu verkaufen auf. Wenn er etwas ausheckte, hatte ich da die Unterstützung meiner Bande. Danach ließ ich ihn Quesitos Telefonnummer notieren, falls im letzten Moment irgendetwas dazwischenkommen sollte. So verabschiedeten wir uns.
    Ich hatte den ganzen Tag über so geschwitzt, dass ich mich auf der Rückfahrt bei der auf vollen Touren laufenden Klimaanlage erkältete. Niesend, hustend, mit belegter Stimme und leerem Magen wollte ich direkt nach Hause gehen und mich ins Bett legen, doch das Berufsethos war stärker, und so ging ich erst im Damensalon vorbei. Ihn so vorzufinden, wie ich ihn verlassen hatte, deprimierte mich. Zwar hatte ich nichts anderes erwartet, aber sich mit der Wirklichkeit konfrontiert zu sehen, hebt nicht unbedingt die Stimmung. Bevor ich mich endgültig zurückzog, sah ich, dass an der Tür ein mit einem Stück recycletem Tesafilm zusammengefaltetes Blatt befestigt war. Ich faltete es auseinander und las folgende lakonische Mitteilung: Such zwischen Tür und Tür versteckte Schachtel. Unschwer fand ich eine zwischen dem Glastürrahmen und der Schiene der Eisenjalousie versteckte Kartonschachtel. Ich suchte eine Bank im Freien, setzte mich, öffnete die Schachtel und verzehrte gierig den Inhalt: Garnelenschalen und Schweinefleischwürfel in süßsaurer Soße, ein kalter, verpappter Leckerbissen, der mir exquisit schien.
    Das Essen, begleitet von Brunnenwasser, brachte mir die gute Laune zurück. Aus einer Telefonzelle rief ich Quesito an und fragte sie, ob jemand nach mir gefragt habe. Nur der Dandy Morgan hatte angerufen, um zu sagen, dass es nichts Neues gab. Sie erkundigte sich nach den Fortschritten der Ermittlungen, und ohne ihr große Hoffnungen zu machen, erzählte ich ihr von der Reise an die Costa Brava und warnte sie vor, ein gewisser Juan Nepomuceno könnte anrufen, und dann müsste sie genauestens Kenntnis nehmen von allem, was er sagte, und es mir unverzüglich mitteilen. Das versprach sie, ich hängte auf und ging völlig zerschlagen nach Hause.
    Nachts weckte mich mehrmals derselbe Alptraum: Ich befand mich als einziges Besatzungsmitglied auf einem Segelboot; der Wind trug mich immer weiter von der Küste weg, und da ich das Schiff nicht zu lenken wusste und also seine Richtung nicht ändern konnte, beschloss ich, ins Wasser zu springen, um das Ufer schwimmend zu erreichen; im Wasser erinnerte ich mich daran, dass ich nicht schwimmen konnte, aber jetzt war es zu spät; das Boot entfernte sich sehr schnell, und ich ging unter den sarkastischen Blicken einiger Seehechte rettungslos unter. Ich erwachte schwitzend, aber da ich nicht an Vorahnungen glaube und noch weniger an Prophezeiungen und von der orthodoxen Traumdeutung nur weiß, dass alles irgendwie mit dem Schwanz zu tun hat, beschloss ich, meinem Traum nicht die geringste Beachtung zu schenken.

9
DIE GESCHICHTE
DER LAVINIA TORRADA
    Bevor ich den Damensalon betrat, sah ich einen in besonnenem Abstand geparkten roten Peugeot 206, in dem sich zwei unverkennbar menschliche Silhouetten ausmachen ließen. Es sind viele Exemplare dieser berühmten Marke und dieses gelungenen Modells fabriziert worden, und ein nicht geringer Teil davon ist rot und befährt Barcelonas Straßen, aber ich hatte keinen Zweifel daran, wer die Insassen dieses konkreten Exemplars waren. Trotzdem verhielt ich mich so, als hätte ich sie nicht bemerkt, schloss den Salon auf, trat ein, schlüpfte in den Kittel, ohne mich vorher auszuziehen, wie ich es bei dieser Hitze zu tun pflege, und setzte mich hin, um zu warten. Es dauerte nicht lange, bis wiegend und leise Lavinia Torrada auftauchte. Darauf vorbereitet gewesen zu sein änderte nichts daran,

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