Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
Tutilo einzulegen.
    »Trotzdem«, sagte Hugh nachdenklich, »die Ordensregel berechtigt einen, alle Türen offen zu lassen. Heißt es darin nicht, wenn man alles andere bei einem Unbelehrbaren bereits versucht hat: ›Wenn der treulose Bruder Euch verlassen will, so lasset ihn gehen‹?«
    Der Nachmittag neigte sich schon seinem geruhsamen Ende zu, das Tagewerk der Klosterbrüder war vollbracht, als Cadfael seinen Freund Hugh zum Torhaus begleitete. Er hatte Bénezets Zaumzeug und dessen Besuch im Stall beim Pferdemarkt mit keinem Wort erwähnt. Solange es keine Gewißheit und nichts Beweisträchtiges vorzubringen gab, zögerte er, einen unbegründeten Verdacht gegen irgendeinen Menschen zu äußern. Und doch wollte er sich ungern die Möglichkeit für eine weitere Entdeckung entgehen lassen. Ständiger Zweifel ist schlimmer als selbst unangenehme Gewißheit.
    »Wirst du morgen herunterkommen, um bei der Abreise des Grafen zugegen zu sein?« fragte er. »Zu welcher Stunde seine Lordschaft aufzubrechen gedenkt, ist mir nicht bekannt, aber er wird das Tageslicht sicher möglichst lange nutzen wollen.«
    »Er wird gleich nach der ersten Messe aufbrechen«, sagte Hugh. »So wurde mir jedenfalls berichtet. Natürlich werde ich hier sein, um Abschied zu nehmen.«
    »Hugh… bring drei oder vier deiner Männer mit. Es sollten genügend sein, um das Tor im Fall eines Ausbruchsversuchs zu bewachen. Aber freilich nicht so viele, daß es Vermutungen oder Beunruhigung weckt.«
    Hugh war stehengeblieben und sah Cadfael über die Schulter hinweg durchdringend an. »Doch wohl nicht wegen des kleinen Bruders«, sagte er mit Bestimmtheit. »Du hast ein anderes Opfer im Sinn?«
    »Hugh, ich schwöre dir, daß ich dir noch nichts Greifbares bieten kann, und wenn irgendwer einen falschen Schritt wagen sollte und sich zum Narren machen will, so laß es mich sein.
    Aber sei hier! Eine Feder, die im Wind dahintreibt, ist mehr als alles, was ich bis jetzt in der Hand habe. Vielleicht finde ich noch mehr heraus. Aber unternimm nichts bis morgen früh. Mit Robert Bossu haben wir jemand Einflußreiches hier, der uns den Rücken stärkt. Wenn ich auf die Nase falle, indem ich mit törichtem Finger auf einen unschuldigen Mann zeige – nun, eine blutige Nase ist kein großes Drama. Aber ich will unter keinen Umständen einen Mann ohne triftigen Grund einen Mörder nennen. Laß es mich auf meine Weise versuchen, und laß alle anderen ruhig schlafen.«
    Hugh überlegte, ob er Cadfael nicht drängen sollte, ihm in allen Einzelheiten zu erklären, was er vorhatte und welche im Wind dahintreibende Feder ihn beunruhigte, doch er besann sich eines anderen. Er selbst, mit drei oder vier seiner besten Männer, würde herkommen, dazu die beiden kräftigen jungen Knappen an der Seite ihres mächtigen Herrn – was konnte bei einem solchen Schutz schon geschehen? Außerdem war Cadfael ein erfahrener Mann, selbst ohne eine Schutztruppe hinter sich.
    »Wie du meinst«, sagte Hugh nachdenklich, nicht ganz ohne Skepsis. »Wir werden hier sein und versuchen, deine Zeichen zu deuten. Ich sollte inzwischen gelernt haben, sie zu verstehen.«
    Sein treuer Apfelschimmel war am Tor festgebunden.
    Er stieg auf und ritt in Richtung Stadt davon. Es war windstill, und im sanften, abnehmenden Licht schimmerte die Oberfläche des Mühlteichs, als sei sie mit einer hauchdünnen Bleischicht überzogen. Cadfael schaute seinem Freund nach, bis dieser die Brücke erreicht hatte und der Hufschlag hohl herüberhallte.
    Als er sich abwandte, um in den Hof zu treten, läutete die Glocke zur Vesper.
    Der junge Bruder, der heute beauftragt war, den Gefangenen das Essen zu bringen, kam eben von den Zellen zurück, um die Schlüssel im Torhaus an ihre Haken zu hängen, bevor er sich, gemeinsam mit Bruder Pförtner, auf den Weg zur Vespermesse machte. Cadfael folgte ohne Eile und mit gespitzten Ohren, denn da stand jemand ganz in der Nähe im Schatten, hinter der Torsäule, fest ans Mauerwerk gepreßt. Daalny war klug genug, ihm keine gute Nacht zuzurufen, obwohl sie ihn bemerkt hatte.
    Denn sie stand dort schon eine ganze Weile und hatte beobachtet, wie er von Hugh Abschied nahm. Nicht daß er sie tatsächlich gesehen oder irgendein Geräusch oder eine Bewegung wahrgenommen hätte; davor hatte er sich gehütet.
    Beim Vespergottesdienst betete er kurz für den armen, gepeinigten Bruder Jerome, der in seinem eigenen Gift schmorte. Zu gegebener Zeit würde er wieder ins Oratorium

Weitere Kostenlose Bücher