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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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hinaus und schloß die Tür zwischen ihnen wieder. Vor ihm lag der bleierne Wasserspiegel des Mühlteichs und der Pfad hinaus zur Abteivorstadt, und links, kurz vor der Brücke über den Severn, der schmale Weg, der nach Wales führte.
    Ohne einen letzten Blick wandte sich Daalny um und ging zurück zum großen Hof. Sie mußte am nächsten Morgen etwas tun, von dem er nichts wußte, etwas, das, wenn es gelang, jede Verfolgung beenden und ihn in die wahre Freiheit entlassen würde. Weltliches Recht kann frei verfahren, selbst innerhalb eines geteilten Reiches. Kirchliches Recht besaß nicht dieselbe Beweglichkeit.
    Und Halbbewiesenes verblaßt neben unwiderlegbarem Beweis von Schuld und Unschuld.
    Sie hörte die Mönche noch immer im Kirchenschiff singen, und so nahm sie sich die Zeit, noch einmal in Tutilos Zelle zu treten und die kleine Lampe zu löschen. Es war besser und sicherer, wenn man glaubte, er sei zu Bett gegangen und schlafe die Nacht hindurch.

13. Kapitel
    Der Morgen des Aufbruchstags dämmerte, lag lautlos im Tau da, und die Sonne war noch verschleiert. In ihrem zarten, sanften Licht schien alles Grüne grüner denn je. Später würden die Schleier sich lichten und der Himmel aufreißen, die Sonne würde hervortreten mit ihrer unfaßbaren frühlingshaften Helligkeit. Ein guter Tag für den Heimritt. Nach einer schlaflosen Nacht trat Daalny in den großen Hof und machte sich auf den Weg zur Prim, denn sie brauchte all ihre Kraft für ihr Vorhaben; Gebet und Stille in der Einsamkeit des Kirchenschiffs würden ihren Willen stärken. Denn es schien ihr, als wüßte oder argwöhnte niemand, was sie argwöhnte, so daß außer ihr niemand handeln würde.
    Aber vielleicht saß sie ja auch einer Täuschung auf. Das Klirren von Münzen, das Gewicht eines festgeschnürten Bündels, das sich mit einem sanften metallischen Laut beim Druck ihrer Fußspitze verlagert hatte – was bewies das schon?
    Selbst wenn sie die sonderbaren Umstände hinzurechnete, von denen Bruder Cadfael ihr erzählt hatte, die Lüge, daß Rémys Zaumzeug im Stall vergessen worden sei. Und doch hatte Bénezet gelogen. Und daß er überhaupt in den Stall gegangen war, konnte doch nur bedeuten, daß er dort etwas verborgen hatte, das er wieder an sich nehmen wollte.
    Nun, Tutilo war fort und, so hoffte sie, schon bald an der Grenze nach Wales. Die Benediktiner hatten in Wales nur geringen Einfluß, da sich die alte, weniger straff organisierte Keltische Kirche hartnäckig halten konnte, auch wenn sich die römischen Gebräuche durchgesetzt hatten. Man würde dort einen davongelaufenen Novizen liebend gern aufnehmen, um so mehr, wenn man gehört hatte, wie er sang und spielte. Man würde ihm einen Schirmherrn finden, der eine Harfe unterhielt, ihm seine Kutte abnehmen und ihm Hemd und Wams besorgen, wofür er mit seiner Musik bezahlen würde. Und sie, Daalny, würde versuchen, den letzten Schatten des Mordverdachts von ihm zu nehmen, was immer es sie auch kosten mochte, so daß er als freier und rehabilitierter Mann gehen konnte, wohin immer er seine Schritte zu lenken wünschte. Und was seine anderen, weniger schlimmen Sünden betraf, so würden sie ihm verziehen werden.
    Trotzdem verspürte sie einen Schmerz im Innern, daß er gegangen war, aber sie wollte dem keine Beachtung schenken oder es gar bedauern, daß er sie verlassen hatte, nachdem er ihr in der Eile gesagt hatte, daß er ohne sie nirgendwohin gehen wolle. Nun, Sinn und Zweck ihres Vorhabens war, daß er niemals wieder in Gefangenschaft käme, nie wieder in enge Steinmauern eingepfercht wäre, die seine Flügel behinderten, nie wieder eine Schlinge um den Hals spüren müßte, die die Saiten seiner Kehle zum Verstummen brachte.
    Die ganze Andacht hindurch sprach sie lautlose Gebete für ihn, während sie gebannt auf den ersten Aufschrei der Entrüstung ob seines Ausbruchs wartete. Der kam erst, nachdem Bruder Pförtner Jerome Frühstücksbrot und Dünnbier gebracht und sich noch einmal auf den Weg gemacht hatte, um Tutilo das Mahl zu bringen. Aber selbst jetzt war es kaum ein wirklicher Aufschrei, da Bruder Pförtner kein Mann war, der zu heftigen Ausbrüchen neigte und der eine Krise oft nicht mal erkannte, wenn er schon in sie hineingestolpert war. Er trat rasch wieder aus der Zelle, löste eine Hand von dem Holztablett, das er trug, um die Tür wieder hinter sich abzuriegeln, aber ließ dann, da ja niemand mehr drinnen war, der diese Vorsichtsmaßnahme gerechtfertigt hätte, die

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