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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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habt recht«, stimmte Radulfus zu. »Ich werde mit Hugh Beringar sprechen. Und was die Männer von Longner betrifft, so will ich einen von unseren Brüdern hinschicken, um in Erfahrung zu bringen, was sie zu berichten haben.«
    »Wenn Ihr gestattet«, sagte Cadfael, »so werde ich das erledigen.« Er sträubte sich gegen die Vorstellung, daß jemand von Prior Roberts Gesinnung in das bescheidene Gehöft von Eudo Blount eindrang, um in einer Angelegenheit, die vielleicht auf Doppelspiel und Diebstahl hinauslief, peinliche Nachforschungen anzustellen.
    »Tut das, Cadfael, wenn Ihr wollt. Ihr kennt die Leute dort besser als irgendeiner von uns, und mit Euch werden sie offen reden. Wir müssen und werden Winifred finden«, sagte Abt Radulfus mit grimmiger Miene. »Morgen soll Hugh Beringar erfahren, was beschlossen wurde, und dann vorgehen, wie er’s für richtig hält.«
    Eine halbe Stunde nach Ende der Prim kam Hugh Beringar von einer Besprechung mit dem Abt und ließ sich seufzend auf eine Bank in Cadfaels Werkstatt sinken.
    »Wie ich höre, hast du dich diesmal in eine ziemlich ausweglose Lage gebracht, lieber Cadfael. Wie konnte es passieren, daß du deine vermeintliche Heilige verloren hast?
    Und was, mein Freund, willst du tun, wenn irgend jemand irgendwo auf den Gedanken kommt, den Deckel dieses wunderschönen Schreins zu lüften?«
    »Warum sollte jemand auf den Gedanken kommen«, entgegnete Cadfael, nicht allzu überzeugt.
    »In Anbetracht menschlicher Neugier, die dir vertrauter sein dürfte als mir«, sagte Hugh mit einem verschmitzten Lächeln, »warum sollte da nicht jemand auf eben diesen Gedanken kommen? Nehmen wir einmal an, das Ding gelangt irgendwohin, wo niemand weiß, was es ist oder was es bedeutet, wie könnte er seine Neugier besser befriedigen? Du selbst wärst der erste, der die Siegel erbrechen würde.«
    »Ich war der erste«, erwiderte Cadfael arglos, denn Vorsicht war hier überflüssig, wußte Hugh doch genau, was sich in dem Reliquienschrein der heiligen Winifred befand. »Und hoffentlich auch der letzte. Hugh, ich habe Zweifel, daß du die Angelegenheit mit dem nötigen Ernst betrachtest.«
    »Es fällt mir schwer, sie nicht amüsant zu finden«, gab Hugh zu. »Aber sei unbesorgt, ich werde dein Geheimnis hüten, wie ich kann. Die Angelegenheit reizt mich. Und da all meine hiesigen Störenfriede bis zum Frühling wie vor Kälte erstarrt scheinen, kann ich es mir erlauben, nach Worcester zu reiten.
    Das könnte selbst in Roberts Begleitung vergnüglich sein. Und ich werde deine Belange im Auge behalten, so gut ich kann.
    Wie denkst du über die Sache? Hat jemand geplant, euch zu berauben, oder beruht alles nur auf einem Versehen, das im Drunter und Drüber während des Hochwassers entstand?«
    »Nein«, sagte Cadfael entschieden und wandte sich von dem Tisch ab, auf dem er Pastillen gegen Magenbeschwerden herstellte, »kein Versehen. Ein klarer Kopf hat den in Decken gehüllten Reliquienschrein vom Altar genommen und durch einen Holzklotz aus der Krypta ersetzt, den er ebenfalls in Decken hüllte. So wurden beide, ohne daß irgendwer Verdacht schöpfte, an einen sicheren Ort getragen – der Schrein mit der Absicht, ihn aus dem Kloster fortzuschaffen. Vorübergehend fortzuschaffen«, verbesserte er sich entschlossen. »Denn wir werden Wmifred wiederfinden.«
    Hugh betrachtete ihn über die Glut des Kohlenbeckens hinweg mit einem Zucken in den Mundwinkeln und einem leichten Anheben der Augenbrauen, was Cadfael an längst vergangene Zeiten erinnerte, als die beiden Männer sich zum ersten Mal begegnet waren und keiner hatte sicher sein können, ob der andere Freund oder Feind war, wobei jeder auf halb ernste, halb schelmische Weise bemüht gewesen war, dieser Frage auf den Grund zu gehen.
    »Ist dir eigentlich klar«, fragte Hugh mit sanfter Stimme, »daß du von diesem verschwundenen Reliquienschrein schon seit vielen Jahren so redest, als enthielte er wirklich die Gebeine der walisischen Heiligen? Du sagst stets ›sie‹ und nie ›es‹ oder ›er‹, was ja am ehesten zutrifft. Und dabei weißt du nur allzugut, daß du sie dort in Gwytherin zurückgelassen hast. Kann sie denn gleichzeitig an zwei Orten sein?«
    »Etwas von ihrem Wesen ganz bestimmt«, sagte Cadfael, »denn sie hat hier bei uns schon Wunder gewirkt. Drei Tage lag sie in dem Sarg. Warum sollte sie die Kraft ihrer Gnade nicht auf ihn übertragen haben? Ist sie etwa an Raum und Zeit gebunden? Bisweilen frage ich mich, was

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