Der Fromme Dieb
Verletzungen. Dann hielten wir Rat und beschlossen, die Nachricht nach Ramsey und auch hierher nach Shrewsbury zu tragen. Und Nicol, der wußte, daß Subprior Herluin inzwischen in Worcester sein mußte, bot an, sich dorthin auf den Weg zu machen und zu berichten, was geschehen war. Roger wollte in Begleitung des jungen Payne nach Ramsey aufbrechen. Martin hier wäre mit ihnen gegangen, aber da ich nicht mehr allzu sicher auf den Beinen war, wollte er mich den Weg nicht alleine zurückgehen lassen. Und hier, zu Hause, will ich bleiben, denn nach diesem Abenteuer steht mir der Sinn nicht mehr nach Reisen, das könnt Ihr mir glauben.«
»Das kann ich Euch nicht verübeln«, stimmte der Abt nickend zu. »Inzwischen müßte Eure Nachricht sowohl Ramsey als auch Worcester erreicht haben, falls unterwegs nicht ein weiterer Überfall stattgefunden hat, was Gott verhüten möge!
Hugh Beringar müßte jetzt in Worcester sein und erfahren haben, was geschehen ist. Sollte man unseren Wagen und die geliehenen Pferde aufspüren – nun gut! Wenn nicht, so ist doch wenigstens die kostbarste Fracht, das Leben von fünf Menschen, gerettet, Gott sei’s gedankt!«
Bis zu diesem Augenblick hatte Cadfael seine eigenen Neuigkeiten zugunsten der weit wichtigeren Nachrichten dieser beiden übel zugerichteten Überlebenden aus dem Wald von Leicester zurückgehalten. Jetzt schien es ihm angemessen, sich zu Wort zu melden. »Vater Abt, ich komme soeben aus Longner zurück, ohne freilich viel erreicht zu haben, denn keiner der jungen Männer, die uns das Bauholz brachten, hatte etwas von Belang zu berichten. Aber ich habe das Gefühl, daß etwas von ungeheuerem Wert mit diesem Wagen fortgeschafft worden ist. Ich sehe nicht, wie der Reliquienschrein der heiligen Winifred aus unseren Klostermauern auf andere Art hat verschwinden können.«
Der Abt warf ihm einen langen, durchdringenden Blick zu und sagte schließlich: »Ihr sprecht ernst, und ich sehe die Tragweite Eurer Vermutung. Habt Ihr denn inzwischen mit jedem gesprochen, der an jenem Abend geholfen hat?«
»Nein, Vater, es gibt noch einen, den man befragen sollte, einen jungen Mann aus einem Nachbarweiler, der den Fuhrleuten beim Umladen des Bauholzes geholfen hat. Die beiden habe ich schon verhört, und sie berichteten, daß jener Helfer gegen Ende des Abends von einem der Brüder für einen abschließenden Hilfsdienst in die Kirche zurückgerufen wurde, wobei der Bruder den jungen Mann nach verrichteter Arbeit nach draußen begleitet, allen gedankt und eine gute Nacht gewünscht hat. Sie haben nicht gesehen, daß irgend etwas auf den Wagen nach Ramsey geladen wurde; sie waren zu beschäftigt gewesen und hatten nur Augen für die eigene Arbeit. Ich weiß, es ist nur ein unbestimmter Verdacht, daß im Schutze der Dunkelheit etwas unerlaubt auf den Wagen gelangt ist, aber ich hege ihn, weil ich keine andere Möglichkeit sehe.«
»Und Ihr wollt diesem Verdacht nachgehen?« fragte der Abt.
»Wenn Ihr es gestattet, werde ich diesen jungen Mann namens Aldhelm aufsuchen.«
»Was bleibt uns anderes übrig«, sagte Radulfus. »Also einer der Brüder, sagtet Ihr, rief den jungen Mann zurück und trat später mit ihm wieder ins Freie? Kennen die beiden Fuhrleute seinen Namen?«
»Nein, sie würden ihn nicht einmal wiedererkennen. Es war dunkel, und sein Gesicht war unter der Kapuze verborgen.
Vielleicht ist er ja auch unschuldig. Aber ich will noch dieser letzten Spur folgen und den Mann befragen.«
»Wir sollten tun, was in unserer Macht steht«, sagte Radulfus mit Nachdruck, »um wieder in den Besitz dessen zu gelangen, was man uns nahm. Wenn wir scheitern, scheitern wir. Aber wir sollten alles dransetzen, daß es nicht geschieht. Und wo«, fragte er, an die beiden Heimkehrer gewandt, »wo genau fand der Überfall statt?«
»In der Nähe des Dorfes Ullesthorpe, ein paar Meilen vor Leicester«, sagte Meister James von Betton.
Die beiden Fuhrleute saßen vornübergebeugt, erschöpft von ihrem langen, beschwerlichen Heimweg und schläfrig vom Glühwein, der ihnen zum Essen gereicht worden war. Radulfus wußte, wann er ein Gespräch abschließen mußte.
»Begebt euch nun zu eurer wohlverdienten Ruhe und überlaßt alles dem Herrgott und den Heiligen, die uns ihre Gunst nicht entzogen haben.«
Wären Hugh und Prior Robert nicht mit so vorzüglichen Rössern ausgestattet gewesen und hätte der ältliche, aber resolute frühere Diener von Ramsey zu Fuß gehen müssen, so wäre letzterer
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