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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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gesehen zu haben, kürzlich erst, doch der hinkende Gang paßte nicht dazu. Die andere Gestalt war jünger und zierlicher gebaut. Sie gingen mit gesenkten Köpfen und hängenden Schultern, wie erschöpfte Männer nach einem langen Marsch, die rasch an ihr Reiseziel gelangen wollten, um sich einer Pflicht zu entledigen. Es überraschte Cadfael nicht, daß sie beim Torhaus abbogen und mit beschleunigtem Schritt den großen Hof durchquerten. Zwei Neue für das Gästehaus, dachte Cadfael, sich selbst dem Tore nähernd; ein Platz am Feuer, eine warme Mahlzeit und ein Getränk werden ihnen willkommen sein.
    Als er den Hof betrat, waren die beiden an der Tür der Pförtnerloge angelangt, und der Pförtner trat soeben zu ihnen heraus. Noch war das Licht nicht so weit verblaßt, als daß Cadfael nicht erstaunt hätte zur Kenntnis nehmen können, wie das Gesicht des Pförtner, der bereits zu seiner gewohnten freundlichen Begrüßung und höflichen Nachfrage ansetzen wollte, plötzlich den Ausdruck betroffenen Staunens und Befremdens annahm, und wie die Worte, die sich schon auf seinen Lippen formen wollten, sich in einen gedämpften Schrei verwandelten.
    »Meister James! Wie das – Ihr hier? Ich glaubte – o weh – «, rief er bestürzt, »was ist Euch unterwegs widerfahren?«
    Mit einem Ruck hielt Cadfael inne, nur noch zehn Schritte von der Vesper entfernt. Er wandte sich eilig ab, um an diesem unerwarteten Zusammentreffen teilzunehmen und sich den hinkenden Mann aus der Nähe anzusehen.
    »Meister James von Betton? Herluins Zimmermeister?« Kein Zweifel, derselbe, der vor mehr als einer Woche mit dem Wagen voll Bauholz nach Ramsey aufgebrochen war, jetzt aber zu Fuß und hinkend wieder dort angelangt war, wo die Fahrt begonnen hatte, schmutzig und voller Schrammen, die nicht nur von der Straße stammen konnten. Sein Begleiter war der Ältere der beiden Steinmetze, jener, der gehofft hatte, eine feste Anstellung in Ramsey zu finden. Nun stand er mit zerrissenem Wams, einem um den Kopf gewickelten Lappen und einer Platzwunde an der Schläfe da.
    »Was uns unterwegs alles widerfahren ist!« jammerte der Zimmermeister. »Alles Üble, fast Mord. Raub durch Halsabschneider und Banditen. Wagen weg, Bauholz weg, Pferde weg – gestohlen, jeder Stamm und jedes Tier und nur durch Gottes Gnaden keiner unsrer Männer getötet. Laßt uns ein, um Himmels willen. Martin hier hat einen verletzten Schädel, aber er wollte mit mir gehen.«
    »Kommt«, sagte Cadfael, einen Arm um die Schulter des Mannes gelegt. »Kommt ins Warme, und Bruder Pförtner wird euch etwas Wein einflößen, während ich dem Abt berichte, was vorgefallen ist. Ich bin im Nu wieder bei euch und kümmere mich um den Schädel des Jungen. Macht euch jetzt keine Sorgen mehr. Preist den Herrn, daß ihr mit dem Leben davongekommen seid. Es wiegt schwerer als alle Spenden für Ramsey.«

4. Kapitel
    Es ging alles gut«, berichtete Meister James von Betton, als er eine Stunde später in des Abtes holzgetäfeltem Empfangszimmer saß, »bis wir in den Wald hinter Eaton kamen. Es ist ein dichtbewachsenes Waldstück südlich von Leicester, aber gepflegt und mit guten Straßen. Und wir hatten fünf kräftige Kerle dabei und dachten nicht im Traum daran, in ernste Schwierigkeiten zu geraten. Die paar herumstreunenden Gauner, die sich im Buschwerk verstecken und auf Beute lauern, hätten nie gewagt, ihr Glück bei uns zu versuchen. Nein, wir hatten es mit einer gänzlich anderen Sorte zu tun. Elf oder zwölf waren es insgesamt, mit Dolchen und Knüppeln, und zwei mit Lanzen. Sie müssen sich im Schutz des Buschwerks dicht neben uns bewegt und uns beobachtet haben, vorneweg zwei Bogenschützen, auf jeder Seite des Pfades einer. Als wir an die engste Stelle gelangten, pfiff einer von ihnen, den Bogen schon gespannt, und befahl uns anzuhalten. Roger von Ramsey saß auf dem Kutschbock, und der versteht etwas von Pferd und Wagen, aber was sollte er machen, wenn zwei Pfeile auf ihn gerichtet waren? Er sagt, er hätte daran gedacht, sie niederzupeitschen und zu überrollen, aber das wäre sinnlos gewesen, denn schließlich können die schneller schießen, als er fahren kann. Und zudem kamen sie von zwei Seiten.«
    »Ich danke Gott«, ließ sich Abt Radulfus mit Inbrunst vernehmen, »daß Ihr lebt und uns davon berichten könnt.
    Und alle, sagt Ihr, alle Eure Leute sind mit dem Leben davongekommen? Der Verlust der Güter ist ersetzbar, Euer Leben wäre es nicht gewesen.«
    »Vater«,

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