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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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wohl nicht nur einen Tag später als die beiden anderen in der Kathedrale von Worcester angelangt. Nicol hatte nach dem schrecklichen Zwischenfall bei Ullesthorpe fünf Tage gebraucht, um hinkend zu Subprior Herluin zu gelangen und seinen Bericht zu erstatten. Er war ein unerschrockener, ja eigensinniger Mann, der sich von ein paar Blessuren nicht einschüchtern oder von der Erfüllung eines Auftrags abhalten ließ. Wenn schon eine Verfolgung des Verbrechens, dann wollte Nicol diese von demjenigen erbitten, der in diesen Breiten die Befehlsgewalt innehatte.
    Hugh Beringar und Prior Robert waren spät abends in der Priorei angekommen. Sie hatten dem dortigen Prior ihre Aufwartung gemacht, der Vesper beigewohnt, um den Heiligen des Klosters, Oswald und Wulstan, zu huldigen, und hatten dann Herluin und seinen Begleitern von dem Verlust – oder wenigstens von der irrtümlichen Verlegung
    – des Reliquienschreins der heiligen Winifred Bericht erstattet. Dabei fiel Hugh die Rolle zu, scharf zu beobachten, wie die Nachricht aufgenommen wurde. Aber er konnte nichts Falsches an Herluins Reaktion feststellen, die ganz natürliche Bestürzung und Sorge erkennen ließ und keineswegs unangemessen wirkte. Zu heftiges Protestieren und Lamentieren hätten gewisse Zweifel an seiner Lauterkeit geweckt, Herluin aber schien zu glauben, daß es sich hier um nichts anderes als um ein Durcheinander von allzu vielen Hilfskräften in allzu großer Aufregung und Eile handelte und daß das Vermißte wiedergefunden würde, sobald jedermann die aufgeregte Suche unterbrechen würde, um sich zu sammeln und nachzudenken. Auffallend war, daß Herluin sogleich seine Absicht bekundete, umgehend nach Shrewsbury zurückzukehren und bei der Klärung der Verwirrung behilflich zu sein, obwohl es den Eindruck hatte, als verließe er sich mehr auf seine natürliche Autorität, Chaos in Ordnung zu verwandeln, und weniger auf seine Fähigkeit, die Angelegenheit zu durchleuchten. Er selbst hatte nichts zur Klarstellung beizutragen. Er hatte sich nicht an der hastigen Bergung der Klosterschätze beteiligt, sondern sich würdevoll in der Unterkunft des Abtes aufgehalten, die sicher vor den Fluten gewesen war. Nein, er hatte keine Ahnung, wer die heilige Winifred geborgen hatte. Ihren Schrein hatte er zum letzten Mal bei der Morgenmesse gesehen.
    Tutilo schüttelte scheu und stumm den Kopf, der noch immer von der Aureole ungeschorener Locken umgeben war, und riß, als er die Schreckensbotschaft vernahm, seine bernsteinfarbenen Augen weit auf. Aufgefordert, sich zu äußern, sagte er, er sei in die Kirche gegangen, um zu helfen, und habe nur ausgeführt, was man ihm aufgetragen habe. Wo sich der Schrein der Heiligen jetzt befinde, wisse er nicht.
    »Diese Angelegenheit duldet keinen Aufschub«, ließ sich Herluin gebieterisch vernehmen. »Gleich morgen wollen wir zurück nach Shrewsbury reiten. Winifred kann nicht weit sein.
    Sie wird gefunden werden.«
    »Morgen nach der Messe«, verkündete Prior Robert, um seine eigene Autorität als Vertreter von Shrewsbury zu betonen, »brechen wir auf.«
    Und das hätten sie wohl auch getan, wäre Nicol nicht plötzlich aufgetaucht.
    Ihre Pferde standen gesattelt bereit, vom Prior und von den Brüdern hatte man bereits Abschied genommen, und Hugh wollte eben nach seinen Zügeln greifen, als Nicol durchs Torhaus gestapft kam, schmutzüberzogen, mit Schrammen übersät und auf einen Stab gestützt, den er sich im Wald aus einem Ast zurechtgeschnitten hatte. Als Herluin ihn erblickte, stieß er einen wortlosen Schrei aus, der eher Ausdruck von Unmut als von Erstaunen war, denn der Verwalter hätte längst in Ramsey sein und seine kostbare Fracht abgeliefert haben sollen. Sein überraschendes Erscheinen hier, ganz gleich aus welchem Grund, verhieß nichts Gutes.
    »Nicol!« rief Herluin aus, nachdem er seinen ersten Ärger über die Durchkreuzung seiner weiteren Pläne hinuntergeschluckt hatte. »Was macht Ihr hier? Warum seid Ihr nicht zurück in Ramsey? Ich hatte geglaubt, ich könnte mich auf Euch verlassen und sichergehen, daß Ihr Eure Fracht wohlbehalten nach Hause bringt. Was ist passiert? Wo habt Ihr den Wagen gelassen? Und Eure Begleiter, wo sind sie?«
    Nicol holte tief Luft. »Vater, wir wurden im Wald, südlich von Leicester überfallen. Wir waren fünf und sie wohl ein Dutzend, mit Knüppeln und Dolchen, auch zwei Bogenschützen waren dabei. Pferde und Wagen begehrten sie und nahmen sie uns, wie sehr wir sie auch

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