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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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waren, half uns Aldhelm beim Aufladen, und der Bruder war schon wieder im Friedhof verschwunden. Nein, ich sah sie nichts zum Wagen tragen.«
    »Und ich auch nicht«, sagte Lambert.
    »Könnte denn einer von euch diesen Mönch, der ihn zurückrief, mit einem Namen belegen?«
    »Nein«, sagten beide wie aus einem Munde, und Gregory fügte entschuldigend hinzu: »Wißt Ihr, Bruder, es war inzwischen dunkel. Und ich kenne nur wenige mit Namen, diejenigen, die jeder kennt.«
    Wohl wahr, Mönche sind Brüder, die nur innerhalb des Klosters Namen tragen; außerhalb der Klostermauern sind sie namenlos, was in mancherlei Hinsicht wohl bedauerlich ist.
    »So dunkel«, lautete Cadfaels letzte Frage, »daß ihr, wenn ihr ihn wiedersähet, ihn nicht erkennen würdet? Vielleicht an seinem Gesicht oder seiner Statur oder seinem Gang oder seiner Körperhaltung? Nichts, das euch aufgefallen wäre?«
    »Bruder«, sagte Gregory geduldig, »es regnete, und er trug eine Kapuze. Er war schwarz gekleidet und verschwand im Dunkeln. Und sein Gesicht haben wir überhaupt nicht gesehen.«
    Cadfael seufzte, dankte ihnen und schickte sich an, seinen Heimweg über die aufgeweichten Felder anzutreten, als Lambert sein gewohntes beharrliches Schweigen brach und sagte: »Aber Aldhelm hat es vielleicht gesehen.«
    Der Tag war schon zu weit fortgeschritten, er mußte aufbrechen, wenn er rechtzeitig zur Vesper zurück sein wollte.
    Der winzige Weiler Preston lag nur eine Meile ab von seinem Weg, aber wenn dieser Aldhelm die Schafe in Upton weidete, würde er zu dieser Stunde noch dort und nicht in seiner Hütte auf seiner achtel Hufe sein. Ihn auszuhorchen, mußte aufgeschoben werden. Cadfael stapfte durch den Wald der Longners und überquerte den langen Wiesenhang oberhalb des zurückweichenden Flusses. Die Furt würde inzwischen wieder passierbar, aber sicher gräßlich verschlammt und übelriechend sein. Mit der Fähre würde er den Fluß angenehmer und schneller überqueren können. Der Fährmann, eine schweigsame Seele, brachte ihn so rasch ans heimatliche Ufer, daß er den Schritt verlangsamen und ein wenig verschnaufen konnte. Auch auf dieser Seite des Flusses mußte er einen Waldgürtel durchqueren, bevor er die ersten Straßen und Hütten der Abteivorstadt erreichte; offener heidebewachsener Baumbestand auf dem Kamm, dann immer dichterer und dunklerer Wald, während der Pfad sich verengte.
    Man würde ihn für Roß und Reiter ein wenig verbreitern müssen. Selbst zu dieser Stunde, noch vor der Abenddämmerung, aber bei bewölktem Himmel, erforderte es größte Anstrengung, den Weg zu erkennen und den überwuchernden Ästen auszuweichen. Ein idealer Ort für einen Überfall, für heimliche Gewalt und jede denkbare Art von Verbrechen. Es waren die schwere Wolkendecke und die trostlose Stille des Tages, die ihm solche Gedanken einflößten, und während er ihnen nachhing, wollte er dennoch nicht glauben, daß sie wahr werden würden. Trotzdem lag Unheil in der Luft, denn Winifred war fort oder vielmehr das Pfand, das sie ihm hinterlassen und gesegnet hatte, und seine Welt war aus dem Gleichgewicht geraten. Seltsam, da er doch wußte, wo sie war und in der Lage hätte sein müssen, ihr Botschaften dorthin zu senden, und das gewiß mit größerer Zuversicht als hin zu dem Sarg, in dem sie nicht war. Aber eben von diesem Sarge hatte er stets seine Antworten erhalten, und der Wind, der ihm ihre Stimme von Gwytherin hätte hertragen sollen, blieb stumm.
    Verärgert über sich selbst, weil er sich solch düsteren, seiner Natur so gar nicht entsprechenden Gedanken hingegeben hatte, erreichte er die Abteivorstadt beim Pferdemarkt, steuerte auf das Torhaus zu und beschleunigte gereizt seine Schritte, um rascher in eine faßbare Welt zurückzukehren, in der handfeste Arbeit auf ihn wartete. Einmal mußte er Aldhelm von Preston ausfindig machen, doch zunächst – und das war genauso wichtig – warteten ein paar alte, kranke und mehrere junge, verwirrte Männer und dazu noch die Ordensregeln, die einzuhalten er sich verpflichtet hatte.
    Zu dieser Zeit waren nicht viele Leute draußen auf den Straßen in der Abteivorstadt. Es war noch sehr kalt, und die Düsterkeit des Tages hatte die Menschen veranlaßt, nach getaner Arbeit rasch in ihre Häuser zurückzukehren, Ein Stück weiter vor ihm erblickte er zwei Gestalten, von denen die eine stark hinkte. Cadfael hatte den unbestimmten Eindruck, diese breiten Schultern und diesen zottigen Kopf schon einmal

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