Der Fromme Dieb
verteidigten. Nur weil sie in so großer Eile waren, sind wir noch lebend davongekommen. Wenigstens einer von ihnen war schwer verletzt, und sie mußten rasch die Flucht ergreifen. Sie warfen uns ins Gebüsch und preschten davon – mit dem Wagen, dem Gespann und der ganzen Ladung. Nur das nackte Leben ließen sie uns. Das ist die ganze Geschichte«, sagte er, klappte den Mund zu und starrte Herluin mit dem trotzigen Blick eines Älteren an, der herausgefordert wurde und bereit ist zum Kampf.
Alles dahin – der Wagen und die Pferde der Abtei, die Ladung mit dem Bauholz und, das Schlimmste, auch die kleine Schatztruhe für den Wiederaufbau des Klosters, alles verloren an eine Horde von umherstreunenden Banditen! Prior Robert schnappte zischend nach Luft, Subprior Herluin stieß einen gequälten Laut bitterer Enttäuschung aus und entlud einen Schwall von Vorwürfen mitten in Nicols starres Gesicht.
»Hättet Ihr Euch nicht geschickter anstellen können? All meine Mühen umsonst! Und ich dachte, ich könnte mich auf Euch verlassen, Ramsey könnte sich auf Euch verlassen…«
Hugh legte beschwichtigend die Hand auf die schwere Schulter des Subpriors und überging dessen Klagen auf etwas ungehobelte Art und Weise. »Wurde einer von Euch ernsthaft verletzt?«
»Nicht so schwer, daß er sich nicht zu Fuß auf den Weg hätte machen können. So wie ich, all diese Meilen, um möglichst schnell Bericht zu erstatten.«
»Das habt Ihr gut gemacht«, sagte Hugh. »Gott sei Dank ist niemand zu Tode gekommen. Und wo sind Eure Begleiter, nachdem sie Euch allein hierher gehen ließen?«
»Roger und der junge Steinmetz sind zusammen nach Ramsey gegangen. Und der Zimmermeister ist mit dem anderen Burschen zurück nach Shrewsbury. Sie müßten inzwischen dort angelangt sein, wenn ihnen unterwegs nicht wieder etwas zugestoßen ist.«
»Und wo hat sich der Vorfall zugetragen? Südlich von Leicester, sagt Ihr? Könnt Ihr uns dorthin führen? Aber nein«, sagte Hugh entschieden, als er den Mann betrachtete. Nicol war über fünfzig und dazu übel zugerichtet und erschöpft von dem langen und beschwerlichen Fußmarsch. »Nein, Ihr braucht Ruhe. Nennt mir ein Dorf in der Nähe der Überfallstelle, dort werden wir die Fährte aufnehmen können. Wir sind bereit zum Aufbruch. Egal ob nach Leicester oder nach Shrewsbury.«
»Es war im Wald nicht weit von Ullesthorpe«, sagte Nicol.
»Aber die Wegelagerer werden längst fort sein. Wie ich Euch sagte, brauchten sie den Wagen und die Pferde, denn der Boden war ihnen zu heiß unter den Füßen geworden, und sie jagten davon wie die Teufel.«
»Wenn sie den Wagen und die Pferde so dringend brauchten«, sagte Hugh, »dann ist eines sicher: daß sie keine schwere Ladung Bauholz mit sich führen wollten, die sie nur behindern würde. Sobald sie euch los waren, werden sie sich der lästigen Fracht entledigt haben. Und wenn Eure kleine Schatztruhe zwischen dem Holz versteckt war, Vater Herluin, besteht die Chance, daß wir sie wiederfinden.« Und sollte wirklich im letzten Augenblick noch etwas auf den Wagen geschmuggelt worden sein, dachte er, wer weiß, ob wir das nicht auch noch finden können!
Bei der Vorstellung, das verlorene Gut wiederzubekommen, erhellte sich Herluins Miene, und er fand zu seiner gewohnten Würde zurück. Auch Nicol blickte sichtlich heiterer drein, freilich eher, weil er hoffte, sich an den Teufeln rächen zu können, die ihn vom Wagen gezerrt und seine Begleiter mit Pfeilen und Klingen bedroht hatten.
»Ihr wollt ihnen nachjagen?« fragte er mit glänzenden Augen.
»Dann, Herr, begleite ich Euch mit Freuden. Ich finde die Stelle wieder und führe Euch hin. Vater Herluin ist mit drei Pferden von Shrewsbury hergekommen. Gebt mir das, welches der Laiendiener ritt, und ich bringe Euch auf schnellstem Weg nach Ullesthorpe. Laßt mir einen Augenblick Zeit, damit ich rasch meine Kehle befeuchten und einen Bissen zu mir nehmen kann. Dann bin ich bereit!«
»Ihr werdet vor Schwäche vom Pferd fallen«, rief Hugh lachend, aber voller Verständnis für diesen Eifer.
»Da kennt Ihr mich schlecht, Herr! Laßt mich nur einen von dieser Drecksbande in die Finger kriegen, und ich werde Bärenkräfte entwickeln. Ich will auf jeden Fall dabeisein! Die Überführung der Ladung war mein Auftrag, und ich habe die Pflicht, ihn zu Ende zu führen. Den Schlüssel habe ich gerettet, Vater Herluin, aber ich hatte nicht genug Zeit, die Truhe ins Gebüsch zu werfen, bevor ich selbst dort
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