Der Fromme Dieb
landete, um von Dornen zerkratzt und zerstochen zu werden. Ihr laßt mich doch jetzt nicht zurück?«
»Um keinen Preis!« erwiderte Hugh. »Einen tapferen Mann kann ich stets gebrauchen. Geht also rasch, nehmt Brot und Bier zu Euch. Wir lassen den Burschen von Ramsey zurück, und Ihr seid unser Führer.«
Der Vogt von Ullesthorpe war ein Mann von etwa fünfundvierzig Jahren, drahtig und lebhaft und darauf bedacht, nicht nur sich und seine Stellung zu verteidigen, sondern auch die Belange seines Dorfes. Obwohl er sich einer Gesellschaft gegenübersah, in der die Geistlichkeit überwog, zog er es vor, sich an die weltliche Gerichtsbarkeit in der Person von Hugh Beringar zu wenden.
»Ganz recht, mein Herr! Wir haben die Stelle vor ein paar Tagen gefunden. Uns war zu Ohren gekommen, daß diese Schurken durch unsere Wälder zogen, obgleich sie nicht in die Nähe unserer Dörfer kamen. Dann tauchte dieser Zimmermeister mit seinem Gefährten auf und erzählte, was ihnen widerfahren war, und wir taten unser Möglichstes, damit sie ihren Rückmarsch nach Shrewsbury antreten konnten. Ich vermutete, so wie Ihr, mein Herr, daß sie sich der Wagenladung entledigen würden, die ihnen nur hinderlich sein konnte. Ich führe Euch zu der Stelle, es sind nur ein paar Meilen in den Wald hinein.«
Er schwieg, bis sie im dichten Wald waren, den nur ein einziger Fahrweg durchquerte, auf dem, selbst nach all den Tagen, Spuren von Wagenrädern im feuchten Grund sichtbar waren. Die Marodeure hatten den Wagen einfach in einer winzigen Lichtung zurückgesetzt und nach hinten gekippt, bis die Baumstämme hinabgeglitten waren, hatten das Restholz ausgeharkt und ihren Weg fortgesetzt. Hugh wunderte sich keineswegs, daß das Holz nicht mehr so dalag, wie es gefallen sein mußte, sondern weit verstreut, daß das abgelagerte Bauholz verschwunden war und nur noch seine Spuren im niedergedrückten Buschwerk zu erkennen waren. Auf ihr Wohl bedachte Dorfbewohner hatten das Beste zum eigenen Gebrauch, zum jetzigen oder späteren, aussortiert und nach Hause getragen. Es würde nicht lange dauern, bis auch der letzte Rest Brennholz eine gute Heimstatt gefunden hatte. Der Vogt, der dicht neben Hugh stand, schaute ihn von der Seite an und sprach sibyllinisch: »Ihr werdet es einem guten Bauern doch nicht verübeln, wenn er sich nimmt, was Gott ihm sendet, und dankbar dafür ist?«
»Es war das Eigentum des Klosters Ramsey«, ließ sich Herluin mit beherrschter Resignation vernehmen.
»Aber Vater, das wußten sicher nur die wenigsten, höchstens die, die mit den Männern aus Shrewsbury gesprochen haben.
Die anderen glaubten sicher, das Holz stamme noch von einer Jahre zurückliegenden Rodung. Es war ein Gottesgeschenk für sie. Warum es verrotten lassen? Sie haben weder den Wagen noch die Männer gesehen, die es herbrachten. Der Graf gestattet uns, gefälltes Holz aufzulesen und dieses hier wurde bestimmt schon vor langer Zeit gefällt.«
»Besser als Balken für ein neues Dach genutzt, als hier herumzuliegen«, sagte Hugh mit einem Achselzucken. »Man kann den Leuten kaum einen Vorwurf daraus machen.« Seit Tagen immer wieder durchwühlt, lag das Holz jetzt über den Weg verstreut und im Gras zwischen Sträuchern und Bäumen herum. Sie durchkämmten den Ort gewissenhaft, suchten den Boden zwischen den Holzresten ab, als Nicol, der etwas abseits von den anderen herumstöberte, plötzlich einen Schrei ausstieß, zwischen den Büschen verschwand und, die kleine Truhe in Händen, die Ramseys Schatz enthalten hatte, wieder auftauchte. Sie war gewaltsam geöffnet worden, der Deckel war zersplittert, und als er sie umdrehte, fielen nur eine Handvoll Steine und trockene Blätter heraus.
»Seht Ihr? Seht Ihr? Sie konnten mir den Schlüssel nicht entreißen und hätten ihn auch niemals bekommen, was sie aber nicht gehindert hat. Mit einem Dolch nahe beim Schloß aufgebrochen… Und all die guten Spenden sind in die Hände von Gaunern und Schurken gefallen!«
»Ich hatte nichts anderes erwartet«, sagte Herluin bitter, indem er Nicol die aufgebrochene Truhe abnahm und auf den beschädigten Deckel starrte. »Nun, wir haben schon Schlimmeres überlebt und werden auch diesen Verlust überleben. Es gab Zeiten, da fürchtete ich, unser Haus sei für immer verloren. Dies ist nur ein Straucheln auf dem Weg, doch wir werden ihn trotzdem zu Ende gehen, so wie wir es gelobt haben.«
Aber es besteht, so dachte Hugh bei sich, nur eine geringe Chance, die gestohlenen
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