Der Fromme Dieb
Lächeln nicht unterdrücken. »Seine Begabung wird in der Mönchskutte vergeudet sein. Und weißt du, ich hege starke Zweifel, daß Herluin etwas gegen einen erfolgreichen Diebstahl einzuwenden gehabt hätte; jetzt aber, da das Unternehmen gescheitert ist, wird er dem Burschen tüchtig das Fell gerben müssen.« Er erhob sich und reckte die Glieder, die vom langen Ritt noch steif waren. »Ich mache mich auf den Heimweg. Ich werde hier nicht mehr gebraucht, bis dieser Aldhelm seine Rolle gespielt und mit dem Finger auf deinen Tutilo gedeutet hat, was, wie du so sicher glaubst, geschehen sein wird, bevor die Nacht um ist. Ich möchte lieber nicht dabei sein. Sollte es Arbeit für mich geben, so heb sie für morgen auf.«
Cadfael geleitete ihn ins Freie, freilich nur bis zum Kräutergarten, denn dort wartete auf ihn selbst noch Arbeit. Im Gemüsebeet lehnte Bruder Winfrid, jung, groß und kräftig auf seinem Spaten und schaute einer schlanken Gestalt nach, die soeben um die Buchsbaumhecke verschwunden war.
»Was hatte Bruder Jerome in deiner Werkstatt herumzulungern?« fragte Bruder Winfrid, als er sein Werkzeug forträumte, da die Dämmerung schon hereinbrach.
»Hat er das?« fragte Cadfael geistesabwesend und zerstieß in einem Mörser Kräuter, um damit einen Saft zu bereiten. »Er hat sich aber nicht gezeigt.«
»Das war offenbar auch nicht seine Absicht«, entgegnete Winfrid in der ihm eigenen direkten Art. »Er wollte erfahren, was der Sheriff dir zu berichten hatte, nehme ich an. Er stand eine Weile vor der Tür, bis er hörte, daß ihr euch zum Gehen anschicktet; dann hat er sich rasch aus dem Staub gemacht.
Ich bezweifle, daß er etwas Gutes über sich selbst gehört hat.«
»Er kann überhaupt nichts über sich gehört haben«, sagte Cadfael zufrieden. »Auch nichts, das ihm guttun könnte.«
Rémy de Pertuis war schon so gut wie entschlossen gewesen, an jenem Tag aufzubrechen, bei der Nachricht von der Ankunft des Grafen von Leicester indes besann er sich eines anderen und machte seine an Bénezet und Daalny gerichteten Anordnungen, mit dem Packen zu beginnen, rückgängig. Das lahmende Pferd war zwar wieder einsatzfähig, aber wäre es nicht klug, die Abreise um ein paar Tage zu verschieben und die Möglichkeiten auszuloten, die sich durch die Begegnung mit diesem Adligen ergeben konnten, der wie durch göttliche Fügung plötzlich hier aufgetaucht war? Rémy kannte Ranulf, den Grafen von Chester, nicht persönlich und konnte nicht sicher sein, welchen Empfang man ihm dort bereiten würde. Gerüchte aber ließen ihn vermuten, daß Robert Beaumont ein gebildeter Mann war und deshalb wahrscheinlich auch die Musik schätzte. Zumindest war er jetzt hier, war im selben Gästehaus untergebracht und speiste an derselben Tafel. Warum eine sich bietende und vielversprechende Chance vertun, um einer fernen und unsicheren hinterherzulaufen?
Also machte sich Rémy daran, die Lage zu erkunden, und legte sich mächtig ins Zeug, um zu gefallen. Und wenn er sich bemühte, waren sein Talent und sein Können dazu beachtlich.
Bénezet stand schon lang genug in seinen Diensten, um seine Rolle in diesem Unternehmen zu kennen, ohne daß es dazu irgendwelcher Anweisungen bedurfte. Er machte sich bei den Knappen des Grafen in den Ställen nützlich, hielt Augen und Ohren offen, um Neigungen, Temperament und Interessen des Grafen in Erfahrung zu bringen. Was er dabei vernahm, war vielversprechend. Ein solcher Gönner würde vollen Schutz bieten können, ein vergleichsweise üppiges Leben und eine sehr ansprechende Anstellung. Bénezet schlenderte mit seinen Erkenntnissen zurück zum Gästehaus, als er Bruder Jerome mit gesenktem Kopf und in großer Eile um die Buchsbaumhecke biegen sah. Er schien außerdem in großer Gemütserregung und von fiebriger Ungeduld, bei jemandem etwas loszuwerden, was er auf dem Herzen hatte. Es gab nur eine Person, der Jerome mit solchem Eifer Bericht erstatten würde. Bénezet, von Natur aus neugierig, was Dinge betraf, die ihm dienlich oder einträglich sein konnten, war nicht abgeneigt, bei dieser Gelegenheit ein paar nützliche Hinweise aufzulesen. Er verlangsamte den Schritt, um zu sehen, wohin Jerome so eilig ging, und folgte ihm ohne Hast ins Kloster.
Prior Robert stellte ein Buch in den Schrank am Ende des Skriptoriums zurück. Beladen mit gewichtigen Neuigkeiten steuerte Jerome auf ihn zu. Bénezet schlich unbemerkt hinterdrein und verbarg sich im Dunkel einer der nächsten
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