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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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der Schrein entwendet worden war.
    Und obwohl Tutilo noch nicht wußte, was ihm bevorstand, konnte er nicht sicher sein, daß mit dieser scheinbar freudigen Rückkehr alles wieder im reinen war. Die Hände in banger Hoffnung gefaltet, würde er sich völlig tugendhaft verhalten, bis die letzte Gefahr vorüber und er selbst noch immer unerkannt war. Vielleicht besaß er sogar die unschuldige Dreistigkeit, zur heiligen Winifred zu beten, ihn zu beschützen.
    Cadfael konnte nicht umhin, Mitleid mit dem zu empfinden, dessen zweifelhafte, aber kühne Tat sich jetzt gegen den Täter richten, ihn mit Strafe und Schaden bedrohen würde; das um so mehr, als Cadfael jetzt eine ähnliche Bloßstellung erspart blieb.
    Der Deckel des Reliquienschreins mit dem Silberschmuck war – von weitem erkennbar – noch immer fest versiegelt. Niemand hatte sich daran zu schaffen gemacht, niemand hatte den Leichnam darin zu Gesicht bekommen. Wenigstens Cadfael konnte aufatmen.
    Wieder auf heimatlichem Boden, nahm Prior Robert die Dinge in die Hand. Die aufgeregten Brüder hoben den Reliquienschrein auf und trugen ihn in die Kirche zum Altar der Heiligen, und Tutilo folgte ergeben. Die Stallburschen und Novizen führten die Pferde fort und schoben den Wagen in eine der Scheunen. Robert, Herluin, Hugh und der Fremde machten sich auf den Weg zum Haus des Abtes, wo Radulfus sie bereits auf der Schwelle erwartete.
    Obwohl der neue Gast ohne Frage ein Fremder war, den Cadfael noch nie zuvor gesehen hatte, war es nicht schwer zu erraten, wer er war, auch wenn der Grund für seinen Besuch zunächst ein Rätsel blieb. Der Überfall hatte nicht weit von Leicester entfernt stattgefunden. Der Mann war zweifellos eine Persönlichkeit, die über beträchtliche Macht verfügte und eine hohe Stellung innehatte, warum also weiter über den Namen rätseln? Zudem war Cadfael die Mißbildung der Schulter nicht entgangen, die jetzt bei der Rückansicht als ein deutlicher Höcker hervortrat, wenn auch nicht gewichtig genug, um den sonst gut proportionierten Körper zu entstellen. Es war allgemein bekannt, daß der jüngere Beaumont-Zwilling ein gezeichneter Mann war. Robert Bossu wurde er geheißen, Robert der Bucklige, und angeblich hatte er nichts gegen diesen Namen einzuwenden.
    Was also hatte Robert Bossu hierhergeführt? Inzwischen waren alle im Haus des Abts verschwunden, und was immer der Grund für Roberts Besuch sein mochte, würde bald bekannt werden. Was Hugh Abt Radulfus zu berichten hatte, würde in Kürze mit Bruder Cadfael besprochen werden. Er mußte nur abwarten, bis die Unterredung zwischen kirchlicher und weltlicher Macht beendet war.
    Während nun die ganze Gesellschaft versammelt war, erinnerte er sich, daß es an der Zeit war, Bruder Bonifaces Laufburschen auszuschicken, um Aldhelm in Upton bei seinen Schafen zu suchen und zu bitten, zum Kloster zu kommen, sobald er sein Tagewerk beendet habe. Jetzt sollte er versuchen, aus der vollzähligen Schar der Mönche den bewußten Mann herauszufinden.
    Nachdem Hugh die Geschichte von der Odyssee der Heiligen zu Ende erzählt und berichtet hatte, wie und unter welchen Voraussetzungen Robert Beaumont in den Wettbewerb um den Besitz von Winifred eingetreten war, herrschte zunächst Stille in Cadfaels Werkstatt beim Kräutergarten.
    »Ist er ernst zu nehmen?«
    »Teilweise. Er spielt, um sich die langweilige Zeit zu vertreiben, in der es praktisch keine Kämpfe und nur wenige Truppenbewegungen gibt. Selbst wenn er beides nicht sonderlich liebt, fühlt er sich doch unbehaglich, tatenlos dazusitzen. In Ermangelung sinnvoller Beschäftigung, sieht man einmal von der schwierigen Aufgabe ab, die Interessen seines Bruders hierzulande zu vertreten, so wie Waleran Roberts Interessen in der Normandie vertritt, macht sich dieser einen Spaß daraus, den Fuchs unters Federvieh zu mischen, zwischen zwei so gespornte Kampfhähne wie euren Prior und Ramseys Herluin. Es ist sicher keine Bosheit dabei«, sagte Hugh großmütig. »Sollte ich ihm diesen Spaß mißgönnen? Ich habe seinerzeit ähnlich gehandelt.«
    »Aber er besteht darauf, einen Anspruch zu haben?«
    »Solange es ihn amüsiert und er nichts Besseres zu tun hat.
    Mein Gott, schließlich haben die beiden anderen ihn selbst auf den Gedanken gebracht! Man könnte fast glauben, sagt Robert – unser Robert, wenn ich ihn so nennen darf – , daß sie die Angelegenheit selbst gelenkt hat. Das könnte man fast, sagt der andere Robert, und ich sah die Saat auf

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