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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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zurückgelassen hatte.
    Am Schädel unter der Haut war keine Bruchstelle zu erfühlen.
    »Der Schlag, der ihn zu Boden gestreckt hat, war nicht sehr heftig«, sagte Cadfael. »Davon wäre er nicht lange bewußtlos geblieben. Was nach dem Schlag geschah, wurde sehr rasch ausgeführt, bevor Aldhelm wieder zu sich kommen konnte. Der erste Schlag kann nicht zum Tod geführt haben. Das, was nach dem Schlag kam, war absichtlich, kaltblütig und tödlich. Hätte auch ein Betrunkener im Streit getan haben können.«
    »Der Hieb bewirkte genau, was er sollte«, sagte Hugh bitter.
    »Lieferte das Opfer dem Täter gnadenlos aus. Keine Eile vonnöten! Reichlich Zeit, um abzuwägen und es in aller Ruhe zu Ende zu bringen.«
    Cadfael strich die groben Falten der Kapuze glatt und entdeckte ein paar farblose, flockige Teilchen, die er vorsichtig zwischen den Handflächen rieb. Es waren Splitter von verrottetem Holz. Holz, von dem es in diesem dichten, überwachsenen Wald zweifellos reichlich gab, auch wenn er immer wieder von den Burschen der Abteivorstadt auf der Suche nach Brennholz durchgekämmt worden war. Aber wie kam das Holz unter Aldhelms Kapuze? Er tastete die Schulter des Umhangs ab, fand jedoch keine weiteren derartigen Splitter mehr. So hob er den Rand der Kapuze in die Höhe und zog sie behutsam über den zerschmetterten Kopf, um das Gesicht zuzudecken. Cadfael fühlte mehr, als daß er es hörte, wie Tutilo nach Atem rang, und spürte den Schauer, der diesen durchrieselte.
    »Laßt uns noch einen Augenblick warten. Wir wollen prüfen, ob der Mörder, wenn er hier seinem Opfer auflauerte, vielleicht Spuren hinterlassen hat.« An dieser Stelle boten sich dem Täter auf dem ganzen Weg zwischen Fähre und Abteivorstadt die besten Versteckmöglichkeiten. Der Pfad gabelte sich an der höchsten Stelle des heidebewachsenen Kamms, führte mit einem Arm geradewegs zum Pferdemarkt und mit dem anderen, auf dem sie sich gerade befanden, in einem leichten Bogen zur Abteivorstadt – fast in Sichtweite des klösterlichen Torhauses. Über diesen mußte Tutilo nach Longner aufgebrochen sein, und auf diesem war er zurückgekehrt, um auf halber Strecke diese gräßliche Entdeckung zu machen.
    Vorausgesetzt natürlich, daß Tutilo in der gestrigen Nacht tatsächlich weiter als bis zu diesem schrecklichen Ort gekommen war.
    Cadfael trat einen Schritt zurück, um sich noch einmal zu vergegenwärtigen, in welchem Winkel der Tote über dem Pfad ausgestreckt lag und wo sich der Angreifer demnach versteckt haben mußte. Das Gestrüpp war dicht gespickt mit trockenen Zweigen und Ästen, auch totes Holz lag dazwischen; er suchte nach geknickten Zweigen und fand sie bald. »Hier!« Er zwängte sich längs des Weges durchs Unterholz in eine Lücke zwischen den Bäumen, wo spärlich Gras wuchs, gesprenkelt mit totem Laub, und noch feucht vom nächtlichen Regen. Der Untergrund war weich und vor nicht langer Zeit von unruhig auf der Stelle tretenden Füßen niedergetrampelt worden. Nichts sonst, außer einem dicken toten Ast, der unter einem Busch lag, und nicht weit entfernt der Abdruck im Gras, wo er offenbar vorher gelegen hatte. Cadfael bückte sich und hob den Ast auf. Von seinem dickeren Ende, dort, wo er abgebrochen war, rieselten, als Cadfael ihn hin- und herschwang, kleine Holzflocken hinab.
    Dick und schwer genug war der Stock, wenn auch morsch.
    »Hier hat der Täter gelauert. Eine ganze Weile wohl, nach der Art zu urteilen, wie er den Boden festgetreten hat. Und mit diesem Stock hier hat er den ersten Schlag ausgeführt und ihn dabei zerbrochen.«
    Hugh betrachtete den Ast und nagte grübelnd an der Unterlippe. »Den zweiten Schlag aber ganz gewiß nicht. Nicht mit solch einem Ast! Der wäre in tausend Stücke zersplittert, ohne eine solche Verletzung anrichten zu können.«
    »Ja, den hier hat der Übeltäter ins Gebüsch geworfen, nachdem er ihm zerbrach. Ob er schnell nach etwas Tödlichem gesucht hat? Denn wenn er seinen ersten Schlag hiermit ausgeführt hat, muß er ohne irgendeine Waffe hier aufgelauert haben.« Vielleicht sogar, dachte Cadfael, den Gedanken weiterspinnend, wenn er denn unbewaffnet war, ohne die Absicht zu töten. »Laß uns einmal überlegen, was sich ihm angeboten hat.«
    Denn er konnte nicht weit entfernt gesucht haben – was immer er suchte – , dafür hatte die Zeit gefehlt. Nach wenigen Minuten hätte Aldhelm sich gerührt und versucht, wieder auf die Beine zu kommen. Cadfael begann, den Wegesrand zu beiden

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