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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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sein könnte«, sagte Cadfael, »oder für seine Gerissenheit. Sowohl für das eine wie für das andere. Wer kann das entscheiden?«
    »Es kommt nicht oft vor«, meinte Hugh mit einem mitleidigen Lächeln, »daß du in deiner Einschätzung junger Leute, die in Schwierigkeiten geraten sind, völlig danebenliegst. Nun denn, behalte Tutilo in deiner Obhut. Lassen wir uns Zeit mit der Entscheidung, ob er freigesprochen oder verurteilt werden soll.«
    In der Totenkapelle lag Aldhelms sterbliche Hülle auf ihrer Bahre, Arme und Beine ausgestreckt, die Augen geschlossen, wie endlich zur Ruhe gekommen und gleichgültig, nachdem sie alles preisgegeben hatte, was Cadfael ihr an Wissenswertem hatte entlocken können. Nicht all die fahlen Sprenkel auf dem zerschmetterten Schädel hatten sich als Knochensplitter erwiesen. Es waren ausreichend Reste von Kalkstein und Erdreich darunter, um den Verdacht zu erhärten, welchem Zweck der Stein gedient hatte. Ein Leintuch wurde über das Gesicht des jungen Mannes gelegt. Über seine Brust gebeugt, standen sich Cadfael und Tutilo gegenüber.
    Der Junge war sehr blaß, abgespannt, grau vor Erschöpfung.
    Wie verabredet, hatte Cadfael ihn bei sich behalten, während Hugh Abt Radulfus meldete, was man gefunden hatte und was unternommen worden war. Stumm hatte Tutilo alles, was Cadfael verlangte, herbeiund fortgetragen, hatte Wasser und Tücher gebracht, Kerzen geholt und angezündet und bereitwillig die Gegenwart des Todes erduldet. Nun, da nichts mehr zu tun war, stand er reglos da.
    »Wißt Ihr«, sagte Cadfael, in Tutilos müde Augen blickend – trübes Gold jetzt, selbst im Schein der Kerzen – , »warum dieser Mann auf dem Weg hierher war? Wißt Ihr, was er behauptet hatte, klären zu können, wenn er alle Ordensbrüder hier im Hause versammelt sähe?«
    Tutilos Lippen bewegten sich kaum, während sie ein tonloses »Ja, ich weiß« hervorbrachten.
    »Und Ihr wißt auch, auf welche Weise die Reliquien der heiligen Winifred von hier fortgeschafft wurden. Das ist jetzt jedermann bekannt. Ihr wißt, daß es ein Ordensbruder war, der den Diebstahl geplant und Aldhelm um Hilfe gebeten hat. Und daß Winifred nach Ramsey geschafft worden wäre, hätte es nicht den Überfall gegeben. Glaubt Ihr, das Gesetz wird den Dieb unter den Brüdern von Shrewsbury suchen, denen sie gestohlen wurde? Oder eher unter denen des Hauses, das einen Vorteil gehabt hätte?«
    Tutilo blickte ihn unverwandt an, antwortete aber nicht.
    »Und hier liegt Aldhelm, der jenem Bruder ein Gesicht und einen Namen hätte geben können. Nur daß er jetzt keine Stimme mehr besitzt, um es auszusprechen. Und Ihr kamt von Longner zurück, wohin Ihr vorgeblich gerufen wurdet, als er starb – kamt zurück auf demselben Weg, den er nehmen mußte.«
    Tutilo schwieg weiter beharrlich, ohne Bestätigung, ohne Leugnen.
    »Mein Sohn«, sagte Cadfael, »Ihr wißt doch, was man glauben wird, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Tutilo, der endlich den Mund aufmachte. »Das weiß ich.«
    »Man wird glauben und auch behaupten, daß Ihr im Hinterhalt gelegen und Aldhelm dann getötet habt, damit er niemals mit dem Finger auf Euch würde zeigen können.«
    Tutilo wandte nicht ein, daß er doch derjenige gewesen sei, der den Mord gemeldet, nach dem Gesetz gerufen und die Jagd auf den Mörder ausgelöst habe. Er richtete die Augen auf Aldhelms bedecktes Gesicht, hob sie dann wieder, um in die seines Gegenübers zu blicken. »Nur«, ließ er sich schließlich vernehmen, »wäre es unrichtig, so etwas zu behaupten.
    Niemand sollte das tun. Denn ich werde zum Vater Abt und zu Bruder Herluin gehen und ihnen berichten, was ich getan habe.
    Niemand soll mit dem Finger auf mich deuten als ich selbst.
    Denn für das, was ich getan habe, will ich die Verantwortung tragen, nicht aber für einen Mord, den ich nicht begangen habe.«
    »Junge«, sagte Cadfael nach einem langen und grüblerischen Schweigen, »glaubt nicht, daß Ihr damit jedes Lästermaul zum Schweigen bringen könnt. Manch einer wird gern behaupten, daß Ihr, da Ihr bereits wußtet, daß Ihr verdächtigt werdet, Eure Chancen abgewogen und von zwei Übeln das geringere gewählt habt. Wer würde nicht lieber Diebstahl und Betrug innerhalb der Machtbefugnis der Kirche zugeben, als seinen Hals wegen Mordes in die Schlinge des Sheriffs zu stecken? Ob Ihr redet oder schweigt, es wird nicht leicht für Euch werden.«
    »Sei’s drum«, sagte Tutilo. »Wenn ich eine Strafe verdiene, so möge sie über

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