Der frühe Vogel kann mich mal: Ein Lob der Langschläfer (German Edition)
entsprechen – es geht mir darum, die soziale Akzeptanz bestimmter Verhaltensweisen darzustellen und zu zeigen, was gesagt werden darf und was nicht.
Die Lösung, die ich für das Problem anbiete, dass wir in einer A-Society gefangen sind, lautet: Wir brauchen eine B-Society. Das heißt, eine Gesellschaft mit Kindergärten, Schulen, Arbeitsplätzen, welche auf individuelle Familien- und Arbeitsformen flexibel reagiert und diese unterstützt.«
Eine Forderung, die nicht leicht umzusetzen ist. Nicht nur, weil der Mensch an sich generell eine Abwehr gegen Veränderungen in seinem Umfeld hegt, sondern auch, weil sie Ängste schürt – besonders bei Chefinnen und Chefs, weil die Forderung, später am Arbeitsplatz erscheinen zu dürfen, mit Arbeitsverweigerung gleichgesetzt wird.
Aber Camilla Kring setzt darauf, den Effekt dieser Maßnahmen herauszustreichen: »Wenn man zufrieden ist mit dem, was man hat, und findet, dass man ein schönes Leben führt, ist man wesentlich produktiver, als wenn man unzufrieden und unglücklich, vielleicht auch dauerhaft übermüdet und deshalb krank ist. Produktivität hat mit dem Wohlbefinden der Menschen zu tun hat – das ist ganz einfach. Deshalb ist mein Ansatz: Lasst die Leute arbeiten, wann sie wollen und wo sie wollen! Wir benutzen eher unser Hirn als unsere Hände, wie es in einer Wissens- und Informationsgesellschaft üblich ist, und wir müssen unsere Gesellschaft in der Hinsicht erweitern, dass Menschen verschiedener biologischer Rhythmustypen mit ihren verschiedenen Arbeits- und Familien- und Lebensformen darin Platz finden. Ich möchte einen neuen Weg finden, Produktivität mit Flexibilität und Lebensqualität vereinbar zu machen. Das Wort Produktivität verstehen die Arbeitgeber, und die Forderung nach ›mehr Produktivität‹ ebenso.«
Problem 2: Es herrscht der Arbeitsmodus der Industriegesellschaft, der auf Präsenz und Kontrolle beruht
»Das Credo dieser veralteten Arbeitsformen heißt: ›Wenn ich dich sehe, dann arbeitest du. Wenn ich dich nicht sehe, dann arbeitest du nicht‹. Die Synchronizität von Arbeitszeit und Arbeitsort beruht nur auf einer Denkweise, die in einer Industriegesellschaft Sinn ergibt, eben weil die Produktivität an ein Büro, eine Maschine oder an einen Platz gebunden war. Diese geistige Haltung, dass man umso produktiver ist, je mehr Zeit man am Arbeitsplatz verbringt, bestimmt immer noch die Strukturen unserer heutigen Arbeitswelt. Aber 80 Prozent der Wertschöpfung einer Firma beruht auf immateriellen Dingen – auf Ideen, Erneuerungen, Erfindungen, Kreativität, Marken, Organisation, Management. In der Zukunft wird die Wertschöpfung einer Firma noch mehr auf immateriellen Dingen beruhen.«
Das Denken, dass nur wer früh aufsteht oder anwesend ist, auch fleißig ist, ist tief verankert. Bezeichnenderweise gibt es nur wenige Länder, in denen es bislang möglich war, eine B-Society zu gründen. Außer Schweden, Norwegen, Österreich, Holland, England und der Schweiz scheinen die meisten Länder noch an ihren alten Strukturen festhalten zu wollen. »In Deutschland herrscht eine Kultur der Präsenz, der Kontrolle und des sich für die Firma Aufopferns, weniger des Vertrauens und Miteinander-Abstimmens«, meint die Dänin. »Das Credo lautet auch hier: ›Ich sehe dich, also arbeitest du.‹ Ich nenne das immer: ›Die Olympischen Spiele des Sich-den-Hintern-Plattsitzens‹.«
Aber in einer Wissens- und Informationsgesellschaft ist Präsenz nicht mehr nötig. Wer früh aufsteht, muss nicht unbedingt immer derjenige sein, der den Wurm fängt. »In einer globalisierten Welt kann man auch der Erste sein, wenn man nachts um zwei Uhr mit der Börse in Tokio telefoniert, die gerade öffnet«, so Camilla Kring.
Problem 3: Jeder Mensch hat individuelle Bedürfnisse
In einer von industriellen Standards des 19. Jahrhunderts geprägten Arbeitswelt wird der Einzelne gezwungen, sich den Arbeitszeiten anzupassen und am Arbeitsort anwesend zu sein. Seine Individualität wird den sozialen Anforderungen untergeordnet. Kring erläutert: »Es besteht die weitverbreitete Annahme, dass sich B-Typen nur der Gesellschaft anpassen müssen, dann würde alles gut. Und es herrscht der Glaube, dass das alles ganz einfach und ohne gesundheitliche Probleme vonstatten gehen kann. Dass B-Typen in einer A-Gesellschaft nicht funktionieren, wird ihnen als individuelle Charakterschwäche ausgelegt. Sie gelten als faul, träge, undiszipliniert, und sie sollen
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