Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Titel: Der Fruehling des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
Vom Netzwerk:
Stück entgehen.
    So belieferte Teresa Carmela Woche für Woche mit Informationen und Carmela ließ ihr dafür ein wenig Geld zukommen. Teresa schickte es nach Hause, um sich später davon einen Bauernhof zu kaufen, auf dem sie es sich gutgehen lassen könnte, wenn sie irgendwann in ihr Dorf zurückkehrte.
    Schon sehr bald begann Emma, zu Carmela zu gehen. Die Falle war zugeschnappt. Teresa wusste nicht, wie ihre Tante das geschafft hatte.
    Die Alte wurde für Emma zu einer Obsession. Sie ging zwei, drei Mal am Tag zu ihr. Der Chauffeur beklagte sich darüber, in den engen Gassen der Sanità mit dem riesigen schwarzen Wagen herumkurven zu müssen; später fuhr sie dann alleine hin, in dem neuen roten Cabriolet. Sie war so euphorisch, dass sie Teresa sogar von den Besuchen erzählte, wenn das Mädchen sie abends vor dem Zubettgehen kämmte.
    Allerdings gab es ein paar Punkte, die Teresa nicht ganz klar waren: Was war mit dem Geld zum Beispiel? Emma hatte ihr gesagt, dass Carmela kein Geld von ihr wollte, es gelang ihr bloß, der Pförtnerin hin und wieder etwas zuzustecken. Für die Signora war es der Beweis für die Redlichkeit der Kartenlegerin, die eine regelrechte Missionarin zu sein schien. Und doch passierte ihr, was für sie bestimmt war. Was aber brachte das Ganze ihrer Tante? Teresa hattedafür keine Erklärung. Ebenso wenig konnte sie sich erklären, warum Emmas Euphorie sich vor kurzem in einen Zustand äußerster Erschöpfung verwandelt hatte. Sie beschrieb den Schmutz und die Unordnung in ihrem Zimmer. Und dann waren da noch der Wein und das Erbrechen.
    Vor zwei Wochen etwa hatte sie durch die Tür hindurch einen heftigen Streit des Paares mitangehört: Emma war erst bei Tagesanbruch nach Hause gekommen, was im Übrigen immer häufiger vorkam. Dieses Mal hatte der Professor im Vorzimmer auf sie gewartet und ihr eine Ohrfeige verpasst. Emma hatte ihm zur Antwort ins Gesicht gespuckt, genau wie die Leute in ihrem Dorf, erzählte Teresa. Dann war sie in ihr Zimmer geflohen, Ruggero war ihr gefolgt und hatte es geschafft, mit hineinzuschlüpfen.
    Hinter der geschlossenen Tür fand ein lebhafter Wortwechsel statt, in dessen Verlauf Ruggero seiner Frau verbot, noch einmal zu »dieser alten Hexe« zu gehen, denn sonst würde er »der Alten ihr Schandmaul für immer stopfen«. Emma antwortete ihm, dass er »kein Mann sei« und folglich »nicht einmal den Mumm« haben würde, »an deren Tür zu klopfen«. Sie nannte ihn eine Memme, woraufhin der Professor weinend davonrannte und dabei direkt an Teresa vorbeilief, ohne sie zu sehen. Wie üblich.
    Sobald sie konnte, war sie zu ihrer Tante gegangen, um sie zu warnen, doch die hatte ihr lächelnd gesagt, sie brauche sich keine Sorgen zu machen, da sie alles unter Kontrolle habe. Danach hatte sie die Tante aus Angst, ihre Stelle zu verlieren, nicht mehr besucht. Bis Emma ihr tränenüberströmt erzählte, dass sie aus der Zeitung von dem Verbrechen erfahren habe.
    »Am Tag zuvor, Commissario, ist der Professor erst im Morgengrauen nach Hause gekommen. Wie ein Verrückter sah er aus, die Haare standen ihm zu Berge, er zitterte, weinte. Und er war schmutzig und völlig zerzaust, wo er doch sonst so viel Wert auf sein Äußeres legt und immer tadellos aussieht. Er schloss sich in sein Zimmer ein und kam lange Zeit nicht mehr heraus. Als ich reinging, um sauberzumachen, habe ich die hier gefunden«, dabei zeigte sie auf die Schuhe, die auf Ricciardis Schreibtisch standen. »Meiner Meinung nach klebt Blut daran. Das Blut meiner Tante. Blut von meinem Blut.«
    Ricciardi hielt seinen Blick auf das Gesicht des Mädchens geheftet, das jetzt schwieg und äußerlich so ruhig war, als hätte sie gerade den Rosenkranz zu Ende gebetet. Er kam zu sich, erwachte wie aus einem Traum.
    Dann sah er Maione an, der mit offenem Mund neben ihm stand.
    Der Brigadiere beantwortete seinen Blick.
    »Und wer sagt das jetzt Garzo?«
LIII
    Diese Aufgabe fiel Ricciardi zu, nachdem Teresa gegangen war. Sie hatte zwar Angst gehabt, weiterhin mit dem Mörder unter einem Dach zu leben, doch der Kommissar und Maione hatten ihr klargemacht, dass für sie keinerlei Gefahr bestehe, bevor die Anschuldigungen nicht offiziell geäußert würden. Ganz im Gegenteil: Ihre Abwesenheit hätte den Professor sogar gewarnt und ihm die Möglichkeit gegeben, sich ein Alibi zu verschaffen. Wenn der Fall abgeschlossen sein würde, könnte Teresa Carmelas Wohnung übernehmen oder auch in ihr Heimatdorf

Weitere Kostenlose Bücher