Der Fruehling des Commissario Ricciardi
hab’ den Namen für Sie. Unglaublich, diese Stadt: Jemand macht sich nützlich, indem er zum Beispiel – hm – einen Verbrecher schnappt, und kein Mensch erfährt davon; betrügt man dagegen seinen Ehemann, pfeifen es schon bald die Spatzen von den Dächern. Also, der Mann heißt Attilio Romor, scheint ein hübscher Kerl zu sein. Er spielt in einer Komödie dieses bekannten Regisseurs mit, wie heißt er noch gleich ... egal, Sie wissen schon, hier unten, im Teatro dei Fiorentini. Die Aufführung beginnt um acht. Man kommt leicht hin, entscheiden Sie’s. Und, wie’s scheint, ist’s gerade der rechte Zeitpunkt: Morgen ist die letzte Vorstellung, dann ziehen sie weiter nach Rom.«
Ricciardi dachte nach.
»Die letzte Vorstellung. Morgen. Machen wir’s so: Wir treffen uns um acht am Theater. Jetzt gehen wir erst mal nach Hause und ruhen uns aus – heut’ Abend wird’s spät werden.«
Doch Maione ging keineswegs nach Hause. Er hatte ein anderes Ziel im Sinn, das er ohne Umwege ansteuerte, um sich ein für allemal von einer Last zu befreien.
In seinem einfachen Gemüt war kein Platz für Unordnung: Sein ganzes Leben lang hatte er es mit klaren und eindeutigen Empfindungen und Gefühlen zu tun gehabt, mit Zweifeln kam er nicht gut zurecht.
Als er im Vico del Fico ankam, war die Sonne gerade untergegangen. Filomena war überrascht, ihn zu sehen, was sie nicht daran hinderte, glücklich zu lächeln. Rasch zog sie sich den Schal übers Gesicht, um ihre Narbe zu verdecken, denn sie hatte den Verband abgenommen.
»Raffaele, na das ist eine Überraschung. Jetzt sind Sie aber zu früh gekommen, ich wollte eigentlich für Sie kochen.«
Maione machte eine Handbewegung, mit der er wohl sagen wollte, das sei nicht nötig.
»Filomena, machen Sie sich wegen mir keine Umstände. Wenn Sie Zeit haben, würde ich Sie gerne ein paar Minuten sprechen. Können wir uns setzen?«
Auf Filomenas wunderschönes Gesicht legte sich ein Schatten. Sie war besorgt: Maiones Gesichtsausdruck war anders als sonst. Er wirkte betrübt und entschlossen, als ob er Schmerz empfinden oder ihn etwas quälen würde.
In dem Zimmer im Erdgeschoss, das wie immer in ein Halbdunkel getaucht war, befand sich auch Rituccia, die gerade Erbsen pulen wollte. Maione fiel auf, wie ernst und abwesend sie wirkte, wie eine Greisin.
Filomena bat das Mädchen, sie allein zu lassen; es verabschiedete sich mit einem kurzen Kopfnicken und ging hinaus.
»Ein gutes Kind, wenn ihm nur nicht so viel Unheil widerfahren wäre ... Sie hat viel gelitten. Erst starb ihre Mutter und jetzt auch noch der Vater. Gaetano und ich möchten sie gern hier behalten, zumindest bis die Verwandten mütterlicherseits sich melden. Bisher hat sich niemand blicken lassen. Soll ich Ihnen einen Malzkaffee machen? Es geht ganz schnell.«
Maione setzte sich und legte seinen Hut vor sich auf den Tisch.
»Nein danke, Filomena, lassen Sie nur. Setzen Sie sich einen Moment zu mir, ich muss mit Ihnen reden.«
Die Frau setzte sich, nachdem sie sich die Hände an der Schürze abgetrocknet hatte. In ihren schwarzen Augen war Beunruhigung zu lesen, sie schien auf etwas zu warten. Sie nahm auch den Schal vom Kopf. Maione lächelte ihr zu.
»Diese Wohnung hier, das heißt Sie, Filomena, waren in den letzten Tagen sehr wichtig für mich. Zu wissen, dass Sie da sind, der Weg hierher waren für mich ein Grund, den Arbeitstag gutgelaunt zu beenden. Sie sind mir eine teure und treue Freundin geworden, Sie lächeln mich an und ich bin stolz auf Ihre Zuneigung. Aber ich bin auch Polizist, Filomena. Es geht hier nicht um meine Uniform, das sind nur Äußerlichkeiten. In meinem Herzen, tief in mir drinnen, bin ich Polizist. Ich finde keine Ruhe, solange ich weiß, dass etwas nicht geklärt wurde – und Sie sich in Gefahr befinden. Wer das getan hat, Ihnen das angetan hat«, und er zeigte vage auf ihr Gesicht, »könnte mit noch schlimmeren Absichten wiederkommen.«
Filomena schüttelte lächelnd den Kopf.
»Sehen Sie, Raffaele, Sie sind für mich in meinem Leben etwas Neues. Sie sehen in mir das, was ich bin. Ich habe den Schal abgenommen, meine Narbe nicht versteckt, und Sie haben keinerlei Notiz davon genommen. Niemand sieht mich noch an wie früher. Nicht einmal mein Sohn. Sie dagegen schauen mir in die Augen, ohne den Blick abzuwenden. Wir sind Freunde, sagen Sie. Können wir dann nicht so tun, als ob wir uns nicht jetzt, sondern bei anderer Gelegenheit kennen gelernt hätten?«
Nun schüttelte
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